Keine Entwarnung

BERLIN. Selbst die kühnsten Optimisten, meinte Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) gestern, hätten diese Entwicklung nicht für möglich gehalten. Inklusive der jetzt vorliegenden Dezemberzahlen betrug das Gesamtdefizit von Bund, Ländern und Gemeinden im letzten Jahr 1,9 Prozent des Bruttosozialprodukts, so wenig wie seit dem Jahr 2000 nicht mehr.

Trotzdem gibt der oberste Kassenhüter der Nation keine Entwarnung. Für neue Ausgaben gebe es keine Spielräume. Der Grund für die Knauserigkeit sind nicht nur die 1,5 Billionen Euro Altschulden, die das Land in den letzten Jahrzehnten aufgetürmt hat. Obwohl im Jahr 2006 die neuen Kredite des Bundes mit 27,9 Milliarden Euro unterhalb des langjährigen Mittels lagen und um zehn Milliarden unter den Planungen, entstand laut Steinbrück wieder ein strukturelles Defizit. Es betrug in 2006, die Einmalerlöse durch Privatisierungen und Verkäufe hinzugerechnet, rund 38,9 Milliarden Euro. Eine Familie werde sich ja auch kein neues Auto kaufen, bloß weil sie in einem Jahr nur 30 000 und nicht 40 000 Euro Schulden neu aufgetürmt habe, zog Steinbrück einen Vergleich zum Privatleben. Ausgeglichener Haushalt eine "gewaltige Aufgabe"

Nach vier Verstößen gegen die Maastricht-Verschuldungsgrenze von drei Prozent ist Deutschland zum ersten Mal wieder in dem vorgegebenen Rahmen geblieben. Das gegen Deutschland in Brüssel laufende Euro-Defizitverfahren könne jetzt eingestellt werden, meinte der Minister und rechnet damit, dass dies noch während der deutschen EU-Präsidentschaft erfolgt. Die Staatsquote, also der Anteil der durch den Staat verteilten Finanzmittel, inklusive der Sozialversicherungssysteme, sank im letzten Jahr um einen Prozentpunkt auf 45,8 Prozent. Das ist der niedrigste Wert seit der Wiedervereinigung. Sie werde auch 2007 weiter sinken und bald ein Niveau erreichen, wie man es im ausgesprochen staatsfernen Großbritannien habe. All diese Zahlen wurden erreicht, betonte der Minister, obwohl der Bund im letzten Jahr nicht übermäßig sparte, weil er die Konjunktur ankurbeln wollte. Diese Rechnung sei aufgegangen. Dank der anspringenden Wirtschaft seien die Steuereinnahmen stark gestiegen. 2007 helfen dann die beschlossenen Sparmaßnahmen wie etwa die Kürzung bei der Pendlerpauschale sowie die Mehrwertsteuererhöhung die Neuverschuldung noch weiter zu drücken. 19,6 Milliarden Euro neue Kredite sind eingeplant. Offen ließ Steinbrück, wann er eine Neuverschuldung von Null erreichen will. Einen ausgeglichenen Haushalt bis zum Ende der Legislaturperiode 2009 zu schaffen, sei eine "gewaltige Aufgabe", sagte der Minister dazu nur. Steinbrück hielt sich auch bedeckt, wo er künftig sparen will, machte aber deutlich, dass er neue Begehrlichkeiten "abwehren" werde. So müsse die SPD-Idee, bei Geringverdienern die Sozialbeiträge ganz oder teilweise zu übernehmen, "genau durchgerechnet" werden. "Wir werden auch 2007 sehr vorsichtig segeln", sagte Steinbrück.

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