Keiner weiß mehr über unsere Firmen - Seit 40 Jahren recherchiert Günter Friedrich für Creditreform die regionale Wirtschaft

Trier · Er ist der Herr der Zahlen, der Fakten und Unternehmensgeschichten. Einer, der erzählen kann von Betriebserfolgen und Jubiläen, aber auch von Managementfehlern und Insolvenzen. Wer mit Günter Friedrich von Creditreform ins Gespräch kommt, der spürt seine seit vier Jahrzehnten andauernde Leidenschaft für die Wirtschaft der Region.

 Günter Friedrich vor einem Schuldneratlas der Bundesrepublik Deutschland: Die Region Trier steht im Land zwar gut da, aber er beobachtet stetig, was sich wo in welchen Unternehmen verändert.TV-Foto: Friedemann Vetter

Günter Friedrich vor einem Schuldneratlas der Bundesrepublik Deutschland: Die Region Trier steht im Land zwar gut da, aber er beobachtet stetig, was sich wo in welchen Unternehmen verändert.TV-Foto: Friedemann Vetter

Foto: friedemann vetter (ve.), Friedemann Vetter ("TV-Upload vetter"

Trier. Pech mit einem Lieferanten, mangelhaftes Rechnungswesen, der Tod des Firmeninhabers oder einfach eine Flaute: Gründe, dass Unternehmen in Schieflage geraten, gibt es viele. Ob diese gleich zum Untergang führen oder eine vorrübergehende Krise bedeuten, kann kaum jemand besser einschätzen als Günter Friedrich. Seit 40 Jahren ist er Rechercheur bei der Wirtschaftsauskunftei Creditreform (siehe Extra), kaum einer kennt die Wirtschaftsgeschichte der Region und die Geschichten ihrer Betriebe besser als er."Man muss schweigen können"


Keine Information, kein Detail, keine Investition oder Entlassung, die ihm verborgen bleiben - und aus denen er sich ein Bild von der Situation des Unternehmens macht. Denn mit seiner Einschätzung und Beurteilung entscheidet er mit über das Wohl und Weh eines Betriebes. "Hinter den bloßen Zahlen stehen immer auch Menschen. Und deren Charakter und Fähigkeiten werden immer dann relevant, wenn es mal nicht rundläuft", sagt der 61-Jährige.
Creditreform bestimmt die Bonität von Unternehmen nach Art von Schulnoten, also die finanzielle Leistungsfähigkeit, das Zahlungsverhalten und damit die Kreditwürdigkeit werden in einer Wirtschaftsauskunft dargestellt. "Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, aber wenn die Basiszahlen nicht stimmen und es verstärkt zu Zahlungsverzögerungen kommt, dann steckt häufig mehr dahinter", weiß der gelernte Bürokaufmann. Dann greift er zum Telefonhörer und fragt nach, sucht die Menschen hinter den Zahlen. So viel er auch aus den Betrieben erfährt, "man muss schweigen können", sagt er.
In diesem Metier braucht es viel Fingerspitzengefühl, aber auch Erfahrung. Und die hat Friedrich zu genüge. Die Daten von mehreren 1000 Firmen aus der Region kennt er nahezu aus dem Effeff. Vom kleinen Winzerbetrieb bis zum Industrieunternehmen mit mehreren Hundert Beschäftigten: Teilweise hat der Rechercheur bereits mit dem Großvater des jetzigen Chefs zusammengearbeitet. Da erlebt er Unternehmer, die immer wieder scheitern, aber auch Persönlichkeiten, die er jahrzehntelang durch dick und dünn begleitet. Und von denen Friedrich auch am Ende des Lebenswegs noch mit einer Kondolenzkarte ehrenhaft Abschied nimmt.
Nichts hat die Arbeit des Rechercheurs so verändert wie der Datenschutz und die EDV. Als er 1975 bei Creditreform in Trier anfängt, gibt es noch ein Papierarchiv, Zeitungsartikel werden ausgeschnippelt und auf Karteikarten geklebt, drei Wochen benötigt die Firma für eine Unternehmensauskunft. Heute sind 90 Prozent der Informationen direkt online abrufbar, und es geschieht vieles auf Knopfdruck. "Ich speise täglich bis zu 100 Bilanzeinträge ein", sagt Friedrich. Jahresabschlüsse müssen offengelegt werden, Handelsregistereinträge werden zugespielt - doch die endgültige Bewertung macht immer noch der Mensch. Täglich liest er mehrere Tageszeitungen, Werbeanzeigen - und Internetauftritte. "Wenn die Leute wüssten, was sie alles von sich preisgeben." Ob es die Steuernummer auf der Homepage ist, ein Stellengesuch oder ein neuer Leasingvertrag: Häufig weiß Creditreform eher über eine Betriebsgründung Bescheid als etwa die Handwerkskammer.
Kein Wunder, dass Günter Friedrich vor lauter Zahlen ab und an einmal der Kopf raucht. Aber beim Holzmachen im Wald ordnet der Ralinger seine Gedanken. Natürlich schockt es ihn, wenn große Betriebe wie in den vergangenen Jahren das Autohaus Heister (Trier), das Bauunternehmen Weiland (Irrhausen) oder das Stahlwerk (Trier) Insolvenz anmelden, aber: "Die Branche ist schnelllebig, die Jahre fliegen vorbei." Und Friedrich kennt sich so gut aus, dass er selbstbewusst sagen kann: "Es gibt Insolvenzen, die haben wir bereits zwei Jahre im Voraus kommen sehen."
Aber er sieht nicht nur die negativen Auswüchse des Unternehmerdaseins. "Es gibt viele sehr solide Firmen in der Region, die sich von einem kleinen Hinterhof zu einem großen Unternehmen weiterentwickelt haben. Da waren einfach die richtigen Leute an der richtigen Stelle", sagt Friedrich und räumt unumwunden ein: "Hut ab!" Ein Kompliment aus berufenem Mund.Extra

Mit der Industrialisierung schlossen sich Firmen auch in der Region Trier zu einer Interessens- und Notgemeinschaft zusammen, die die Vertrauenswürdigkeit von Geschäftspartnern prüfen wollte. Die erste Versammlung des "Vereins Creditreform Trier" fand am 16. Februar 1883 statt. Heute eine Kommanditgesellschaft, wird Creditreform seit 1993 von dem Rechtsanwalt Herbert Eberhard geführt. Rund 130 000 Unternehmen sind bundesweit Mitglied, in Trier sind es über 1000. Die Hauptaufgaben: Wirtschaftsauskünfte und der Einzug offener Forderungen. Dabei verarbeitet Creditreform große Datenmengen: 2014 wurden bundesweit 16,5 Millionen Auskünfte über Firmen und 30 Millionen über Privatpersonen erteilt. Es gibt acht Millionen Bilanzen zu einer Million Unternehmen und 79 Millionen personenbezogene Datensätze zu 61 Millionen Bundesbürgern. Seit 2000 ist Eberhard mit einem zweiten Büro in Luxemburg vertreten. sas

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