Klage über Steuerbelastung

BERLIN. Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft haben sich in einem Positionspapier für eine radikale Senkung der Unternehmenssteuern noch vor der Bundestagswahl 2006 stark gemacht. Gleichzeitig mahnte der Verband der Zigarettenindustrie (VDC) eine Rücknahme der beschlossenen Tabaksteuererhöhung an.

Nach Auffassung der Wirtschaft ist Deutschland immer noch ein "Hochsteuerland". Die steuerliche Belastung der Gewinne müsse auf ein "wettbewerbsfähiges Niveau" gesenkt werden, mahnte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt bei der Vorstellung so genannter Grundsatzanforderungen für eine Reform der Unternehmensbesteuerung. Im internationalen Vergleich liege Deutschland bei der Steuerbelastung für Betriebe immer noch in der Spitzengruppe. "Wir brauchen eine Steuerpolitik, die Hand in Hand mit der Wirtschaft geht und nicht die Wirtschaft drangsaliert", pflichtete ihm der Chef des Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun bei. Das Papier solle dazu dienen, "Denkblockaden" in der Steuerpolitik zu durchbrechen, merkte Industriepräsident Michael Rogowski an. Ein detailliertes Konzept sucht man in der knapp 40-seitigen Broschüre allerdings vergeblich. Im Mittelpunkt steht vielmehr die Kritik an bestehenden Steuervorschriften. So wird beispielsweise die Mindestbesteuerung für die Einkommens- und Körperschaftssteuer entschieden abgelehnt. Eine entsprechende Regelung war erst Anfang des Jahres eingeführt worden, um eine volle Verrechnung von Gewinnen und Verlusten zu unterbinden. Auf diese Weise hatten Unternehmen zuvor überhaupt keine Steuern mehr bezahlt. Die Gesetzesnovelle gilt allerdings nur für Betriebe, die auf einen Jahresgewinn von mindestens einer Millionen Euro kommen.Bundesfinanzministerium sieht keinen Spielraum

Im Bundesfinanzministerium stießen die Forderungen der Wirtschaft auf wenig Verständnis. Wer angesichts der angespannten Haushaltslage weitere tarifliche Steuersenkungen für Unternehmen fordere, habe die Zeichen der Zeit nicht erkannt, sagte ein Sprecher. Das Ministerium verweist unter anderem darauf, dass der Körperschaftssteuersatz für Kapitalgesellschaften seit 1998 von 45 auf 25 Prozent gesunken ist. Der für Personenunternehmen maßgebliche Einkommensteuersatz ging im selben Zeitraum in der Spitze von 53 auf 45 Prozent zurück. Der Eingangssteuersatz reduzierte sich von knapp 26 Prozent auf 16 Prozent. Auch SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter sieht bei den steuerlichen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft keinen Anlass zur Klage. Die Unternehmen machten wieder Gewinne, was sich an den vermehrten Gewerbesteuereinnahmen zeige. Sie waren im ersten Halbjahr um rund 13 Prozent gestiegen. Jetzt seien die Arbeitgeber am Zug, "um mit Investitionen den wirtschaftlichen Aufschwung zu unterstützen", meinte Benneter. Unterdessen rechnete der Verband der Zigarettenindustrie (VDC) vor, dass höhere Steuern weniger Einnahmen bedeuten können. Schon bei der Verteuerung der Tabakwaren im Zuge des Anti-Terror-Kampfes sei ein Absatzrückgang um 13 Milliarden Zigaretten (minus 6,3 Prozent) zu verzeichnen gewesen. Nach der letzten Steuererhöhung im März 2004, die den Krankenkassen zu Gute kommen soll, hat sich der Absatz um weitere 20 Prozent reduziert. Auf eine gesündere Lebensweise kann deshalb aber nicht geschlossen werden. Nach Untersuchungen des VDC liegt der Anteil der unversteuerten Zigaretten hier zu Lande inzwischen bei zehn Prozent. Der VDC warnte vor "unkalkulierbaren Risiken", falls die nächsten Erhöhungsstufen zum Dezember 2004 sowie zum September 2005 Wirklichkeit würden. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten rechnet mit dem Verlust von 2000 der 11 000 Jobs in der Branche.

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