"Klares Konzept fehlt"

Berlin. Die EU-Finanzminister haben sich gestern auf ein Ende des Defizit-Strafverfahrens gegen Deutschland verständigt. Damit wurden milliardenschwere Sanktionen abgewendet. Der Mainzer Finanzwissenschaftler, Rolf Peffekoven, sieht jedoch keinen Anlass zur Entwarnung. Nötig sei ein klares Konzept zum Abbau des strukturellen Defizits, sagte Peffekoven im Gespräch mit unserem Berliner Korrespondenten Stefan Vetter.

 Finanzexperte Rolf Peffekoven. TV-Foto: Archiv/Petra Geisbüsch

Finanzexperte Rolf Peffekoven. TV-Foto: Archiv/Petra Geisbüsch

Herr Peffekoven, Deutschland steht nicht mehr am Pranger der EU. Ende gut, alles gut? Peffekoven: Das Defizitverfahren wurde eingestellt, weil die Defizitquote von drei Prozent schon im Vorjahr unterschritten war. Dieses erfreuliche Resultat ist allerdings im Wesentlichen auf konjunkturelle Verbesserungen zurückzuführen. Was nach wie vor fehlt, ist ein Konsolidierungskonzept für den Abbau des strukturellen Defizits, also jener Haushaltslücke, die auch bei guter Konjunkturlage fortbesteht. Befürchten Sie einen Rückfall in massive Schuldenmacherei? Peffekoven: Momentan ist das nicht zu erwarten, weil wir eine sehr gute konjunkturelle Entwicklung haben. Aber wenn Deutschland mit einem strukturellen Defizit, das immer noch 35 Milliarden Euro beträgt, erneut in einen Abschwung gerät, dann werden sich die Probleme so wiederholen, wie wir sie zwischen 2001 und 2005 hatten. Die EU-Kommission wirft der Bundesregierung mangelnden Sparwillen vor. Hat sie Recht? Peffekoven: Die EU-Kommmission hat der Bundesregierung auferlegt, in den kommenden Jahren das strukturelle Defizit um jeweils 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zurückzuführen. Würde man das konsequent tun, dann wäre dieses Defizit etwa im Jahr 2009 abgebaut. Bisher hat die Bundesregierung aber keine entscheidenden Schritte zur Verwirklichung eingeleitet. Insofern hat die Kommission Recht. Wo lässt sich konkret sparen? Peffekoven: Kürzungen sind bei Subventionen möglich, ebenso bei den Transferzahlungen, auch bei denen an die ostdeutschen Länder. Und wegen der Verbesserung der Arbeitsmarktsituation lässt sich auch bei den sehr hohen Ausgaben für die Arbeitsmarktpolitik sparen, zumal deren Effizienz sehr umstritten ist. Deutschland soll sparen, doch gleichzeitig verursacht die Unternehmens-Steuerreform milliardenschwere Steuerausfälle. Wie passt das zusammen?Peffekoven: Die Unternehmenssteuerreform war überfällig. Nach meiner Auffassung hätte die Wirtschaft noch über die veranschlagten fünf Milliarden Euro hinaus entlastet werden müssen. Entscheidend ist die Frage der Finanzierung. Da sich Kredite verbieten, bleiben nur Ausgabenkürzungen in den öffentlichen Haushalten. Doch daran fehlt es bislang. Spätestens 2010 sollen die öffentlichen Haushalte in Deutschland per Saldo ohne neue Schulden auskommen. Für den Bundesetat will sich der Finanzminister aber nicht auf dieses Datum festlegen. Ein Manko?Peffekoven: An Stelle von Peer Steinbrück würde ich auch keine Festlegung für 2010 treffen, weil keiner weiß, wie dann die konjunkturelle Lage aussieht. Falls 2010 wieder ein Abschwung vorliegt, wäre es unsinnig, keine Defizite mehr zuzulassen. Als Ziel muss gelten: Das schon erwähnte strukturelle Defizit muss in kürzester Frist abgebaut werden.

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