Klinkenputzen für mehr Lehrstellen

TRIER. Nur etwa 23 Prozent der 2,1 Millionen Betriebe in Deutschland bilden Lehrlinge aus. Oft melden Firmen ihre freien Ausbildungsstellen nicht dem Arbeitsamt. Handwerkskammern und Industrie- und Handelskammern setzen darum auch in der Region Trier auf aktive Werbung bei den 22 000 Unternehmen - nicht zuletzt, um sie vor der Ausbildungsplatzabgabe zu bewahren.

Dass eine Ausbildungsplatzabgabe durchaus ihre Berechtigung hat, betont der Betriebswissenschafts-Professor Dieter Sadowski von der Uni Trier: "Die Ausbildungsplatzabgabe soll Betriebe im System der dualen Berufsbildung anregen, auszubilden. Dieser Druck ist grundsätzlich angebracht; gleichzeitig möchte ich betonen, dass gerade in Trier die Zusammenarbeit zwischen Kammern und Unternehmen im Hinblick auf Ausbildungsplätze außerordentlich gut funktioniert.”Von Firma zu Firma unterwegs

Auf diese fruchtbare Zusammenarbeit ist man bei den Trierer Kammern stolz. Bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) setzt man - genau wie bei der Handwerkskammer - im zweiten Jahr auf Lehrstellenakquisiteure und Lehrstellenlotsen. "Sie putzen Klinken für mehr Ausbildungsstellen, sie schauen sich Betriebe an, prüfen, ob die Firmen ausbilden wollen und ob sie geeignet sind auszubilden, und sie versuchen, zu motivieren", erklärt Ausbildungsreferentin Alexandra Lossjew. Diese Motivation durch Akquisiteure war im vergangenen Jahr ein Erfolg: 1380 neue Lehrverträge konnte die IHK Trier verbuchen. Mit einer Steigerung von 2,5 Prozent lag man damit landesweit an der Spitze; Rheinland-Pfalz-weit waren es nur 1,5 Prozent. Leicht erkämpft sind die Werbe-Erfolge in den Betrieben nicht. Manchmal über 200 Kilometer am Tag ist IHK-Lehrstellenakquisiteur Hans Möhn in seinem Auto unterwegs - von Firma zu Firma, von Tür zu Tür. An diesem Tag ist er in Wittlich. "Eigentlich werde ich überall freundlich empfangen, obwohl ich mich meist nicht anmelde - das hat gar keinen Sinn, da telefoniert man den Verantwortlichen ewig hinterher, dabei geht doch das Gespräch an sich vor Ort relativ schnell", erzählt er aus seinem Alltag. "Auf meiner Liste kann ich sehen, ob die Firma Stellen gemeldet hat oder nicht. Ich verzeichne darauf nach den Gesprächen, ob das Unternehmen auf unseren Vorschlag hin aktiv werden will und einen Eintrag in der Lehrstellenbörse wünscht." Oft wüssten die Firmenchefs nicht, dass es auch die Möglichkeit gebe, im Verbund mit anderen Firmen und der IHK auszubilden. "Das ist vor allem bei neuen Berufen wie dem Mechatroniker, der zwei Berufe in sich vereint, sehr interessant", sagt der Akquisiteur. Mit Informationsmaterial unter dem Arm klingelt Hans Möhn bei einem Ingenieurbüro und stellt sich vor. "Wir haben die Stelle nicht ausgeschrieben, denn wir haben schon jemanden, der für die Ausbildung in Frage kommt", sagt der Geschäftsführer. Hans Möhn reicht dem Chef die IHK-Broschüre "Heute das Kapital von morgen bilden". "Sehr erfreulich, dass sie schon einen potenziellen Lehrling haben", sagt er. "Ansonsten hätte ich ihnen angeboten, ihre Bewerbungsofferte aufzunehmen, dann hätten sie mehr Bewerber." Ein halber Erfolg also für Hans Möhn: Immerhin, der Betrieb stellt ein - wenn auch nicht auf seine Werbung hin. Ideal läuft es für den Lehrstellenakquisiteur, wenn die Betriebe sich überzeugen lassen. Der Chef einer Versicherungsfirma ist heute nur telefonisch erreichbar, und Hans Möhn darf vom Büro der Versicherung aus anrufen. Nach einem kurzen Gespräch bekommt er eine Zusage: "Ein Platz ist definitiv noch vakant, diese Stelle können sie gerne in die Lehrstellenbörse aufnehmen", tönt es aus dem Lautsprecher. "Und wenn da ein Bewerber kommt, der zu uns passt und die Voraussetzungen erfüllt, versuchen wir's!" Jetzt kann Hans Möhn den Betrieb in seine Liste eintragen. Das Arbeitsamt schreibt die Lehrstelle aus, und auch bei der IHK taucht der Betrieb im Stellenmarkt auf. Nun bleibt der Firma nur noch, auf geeignete Bewerber zu hoffen.

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