Kuren in Karlsbad

BERLIN. Manfred Steinbach hadert mit den gesetzlichen Krankenkassen. Der Präsident des Deutschen Heilbäderverbandes schimpft: "Bei einigen spielt das Marketing offenbar eine größere Rolle als eine gute Versorgung." Seine Kritik gilt der Tatsache, dass offenbar immer mehr Assekuranzen Kuraufenthalte in osteuropäischen EU-Staaten anbieten wollen.

Die Marktbedingungen für deutsche Konkurrenten sind verschärft, obwohl die wegen des steigenden Kostendrucks ohnehin einen Rückgang ihrer Geschäfte beklagen. Bis September wendeten die Kassen gerade einmal 1,8 Prozent ihrer Ausgaben für Kuren auf. Vor fünf Jahren waren es noch über zwei Prozent gewesen. Steinbach schätzt, dass die Barmer & Co. ein Kuraufenthalt in Tschechien oder Ungarn ein Drittel billiger kommt als hier zu Lande. Nach Ansicht des Verbandschefs könnte dabei die Qualität auf der Strecke bleiben. "Eine schöne Architektur, die in böhmischen Bädern ganz sicher vorhanden ist, reicht eben nicht aus", warnt Steinbach. Im Grundsatz ist es heute schon möglich, dass die Kassen bestimmte Kosten für ambulante Kuren im Ausland übernehmen. Bezahlt werden die Anwendungen sowie ein Festbetrag für Kost und Logis. Die Hanseatische Ersatzkasse (HEK) geht einen Schritt weiter. Sie schloss einen Direktvertrag über stationäre Kuren mit dem tschechischen Kurort Marienbad ab. Auch die DAK und die Techniker Krankenkasse (TK) wollen die neuen Möglichkeiten der EU-Osterweiterung nutzen. "Zur Zeit sind wir im Verhandlungsstadium", heißt es bei der TK. Bis Mitte 2005 könnten die Mitglieder entsprechende Angebote erwarten. Beim Bundesverband der Betriebskrankenkassen (BKK) herrscht ebenfalls Aufbruchstimmung. "Zu Beginn des nächsten Jahres rechnen wir mit einem Vertragsabschluss mit Rehabilitations- und ambulanten Kureinrichtungen in Tschechien", kündigte eine BKK-Sprecherin gegenüber unserer Zeitung an. Eine Erweiterung des Angebots auf Länder wie Polen und Ungarn sei durchaus möglich. Von den rund 220 Betriebskrankenkassen würden sich etwa 20 für das neue Kundengeschäft interessieren.Neue Nischen für heimische Einrichtungen

Die Sprecherin versicherte, dass auch Qualitätsanforderungen geprüft werden. Mögliche Einsparungen lassen sich nach BKK-Angaben noch nicht beziffern. Klar sei aber, dass sich deutsche Kureinrichtungen "verstärkt dem Wettbewerb stellen" müssen. Die Barmer-Ersatzkasse will dagegen abwarten. "Zunächst brauchen wir genaue Kenntnisse über das Leistungsniveau in den einzelnen EU-Ländern." Unter westdeutschen Kassenmitgliedern tendiert das Interesse nach Angaben der Barmer ohnehin "gegen Null". Nur in Ostdeutschland gebe es eine Nachfrage. Bei den Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) stoßen die Pläne für Auslandskuren auf völlige Ablehnung. AOK-Sprecher Udo Barske teilt die Bedenken von Heilbäderverbandschef Steinbach im Hinblick auf eine fragwürdige Behandlungsqualität: "Wenn die Therapie-Effekte ausbleiben, dann nützt uns auch die billige Kur nichts." Behandlungen in Tschechien oder Ungarn könnten nur bei einer medizinischen Notwendigkeit in Frage kommen, so Barske. Auch renommierte Kurorte wie Bad Kissingen würden wohl unter der Konkurrenz aus dem Osten Europas leiden. Kurdirektorin Anette Kratz, ist allerdings optimistisch, im Wettbewerb bestehen zu können. Das größte Pfund sei die "hohe Leistungsqualität". Auch habe Bad Kissingen bewiesen, dass sich der Kurbetrieb nach dem Rückgang von Vorsorgekuren erfolgreich auf Rehabilitationsmaßnahmen konzentrieren könne. Hinzu kämen Nischen wie klassische Naturheilmethoden. "Da muss man kreativ sein", sagt Anette Kratz.

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