Leben ist mehr als nur Arbeit

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eine aktuelle und viel diskutierte Herausforderung an die Politik. Das Land wirbt derzeit in Regionalkonferenzen bei Unternehmen für entsprechende Schritte, so auch in Trier.

Trier. Familie und Beruf - seit Familienministerin von der Leyen zum Teil gegen die Widerstände in den eigenen Reihen die Vereinbarkeit von Job und Familie zum Dogma ihrer Politik erhoben hat, ist es schick für Unternehmen, sich Familienfreundlichkeit auf die Fahne zu schreiben.Die Erkenntnis, dass dazu mehr als nur Teilzeit-Angebote gehören, setzt sich jedoch erst sehr langsam durch. Seit zwei Jahren versucht auch das Land, Firmen davon zu überzeugen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sich auch betriebswirtschaftlich rechnet, weil dadurch die Mitarbeiter-Fluktuation verringert wird, und Frauen schneller wieder in den Job zurückkehren. In Regionalkonferenzen werben Familien- und Wirtschaftsministerium für die Idee. So auch in Trier. Zwar ist der Konferenzsaal der Industrie- und Handelskammer voll. Doch bei näherem Hinsehen sind unter den anwesenden Unternehmen und Behörden fast nur "alte Bekannte", die ohnehin in der Vergangenheit mit familienfreundlichen Modellen Schlagzeilen gemacht haben, wie etwa das Trie-rer Finanzamt, das vergangene Woche ebenso wie die Kreisverwaltungen Trier-Saarburg und Eifelkreis Bitburg-Prüm und die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier in Berlin von Ministerin von der Leyen für familienbewusste Personalpolitik ausgezeichnet wurden. Doch in der Vielzahl der Unternehmen der Region sind, wie Vertreter der Kammern auch sagten, noch dicke Bretter zu bohren.Familienfreundliche Schritte lohnen sich

Dabei lohnen sich gerade für kleine und mittelständische Unternehmen familienfreundliche Schritte, wie Mathias Apel und Alexandra Kuchenbrandt von der Firma Metallgestaltung Apel in Trier (acht Mitarbeiter) und Karin Kaltenkirchen vom Trierer Modehaus Marx (70 Mitarbeiter) anschaulich darstellten. Flexible Arbeitszeitmodelle gehören ebenso zur Philosophie beider Unternehmen wie Verständnis für familiäre Notfälle. "Leben ist mehr als nur Arbeit", bezeichnet Finanzamtschef Jürgen Kentenich diese Flexibilität. Man dürfe Familienfreundlichkeit nicht nur unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachten, sagt der Amtsvorsteher, man müsse sie auch als Beitrag zur Mitarbeiter-Zufriedenheit sehen. Demnach müssten die 80 Mitarbeiter der WKV Direktvertriebsservice GmbH aus Wiesbaum (Vulkaneifelkreis) zu 100 Prozent zufrieden sein. Denn neben einem kostenlosen Betriebskindergarten gibt es für die Mitarbeiter des Call-Centers auch einen betriebseigenen Fitnessraum. Wie aber gesagt: Das alles sind längst bekannte Beispiele. Das Land wolle Beruf und Familie zu einem Grundsatzthema machen, sagt Wirtschaftsstaatssekretär Carsten Kühl in Trier. Das Thema sei entscheidend für die künftige wirtschaftliche Entwicklung des Landes. IHK-Präsident Peter Adrian fordert, dass die regionalen Unternehmen verstärkt Betreuungsmöglichkeiten für Kleinkinder anbieten müssten. Laut Handwerkskammer-Präsident Rudi Müller ist noch Überzeugungsarbeit notwendig, um die regionalen Betriebe vom "Mehrwert vom Familienbewusstsein" zu überzeugen. Bei der Kreisverwaltung Trier-Saarburg hat man das bereits erkannt. Demnächst bietet die Behörde kostenlose Betreuungsplätze für Mitarbeiter-Kinder an. Auffallend bei der Regionalkonferenz ist allerdings: Im Mittelpunkt der Diskussion steht immer nur, wie man für die jetzigen Mitarbeiter durch Familienfreundlichkeit Anreize zum Bleiben schafft. Kaum ein Thema ist, wie Frauen nach der so genannten Familienphase wieder in den Job kommen können.

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