Letzte Rettung für viele

TRIER. Trauriger Rekord: Mit 439 unversorgten Jugendlichen in der Region Trier suchen so viele junge Leute eine Lehrstelle wie noch nie zuvor. Der Grund: Die neue Berufsfachschule hat hunderte Jugendliche zusätzlich auf den Markt gespült.

Sandra will niemandem zur Last fallen, will nicht auf Kosten der Allgemeinheit leben, will selbst die Weichen für ihre Zukunft stellen und nach einer Ausbildungsstelle suchen. Persönliche Eigenschaften, die aus dem puren Lebenslauf und den Zahlen und Fakten der Zeugnisse der 17-Jährigen nicht ersichtlich sind. Und dennoch ihre Chance auf dem Arbeitsmarkt erhöhen. Sandra gehört zu insgesamt 439 Jugendlichen in der Region Trier, die bei den "Nachvermittlungsbörsen" der Trierer Arbeitsagentur zusammen mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) sowie der Handwerkskammer (HWK) dieser Tage eine neue und vielfach letzte Chance bekommen, den Einstieg in den Arbeitsmarkt noch in diesem Jahr zu schaffen.Angebot ja, Lehrstelle nein

"Das sind so viele wie noch nie - bei etwa gleich bleibender Meldung offener Lehrstellen durch die Betriebe", sagt Toni Thull, Ausbildungsberater bei der Trierer Agentur für Arbeit mit Besorgnis. Denn lediglich 165 offene Ausbildungsplätze stehen den Unversorgten gegenüber, zumal nicht für jede Stelle ein gegeigneter Kandidat zur Verfügung steht - etwa, weil ein Goldschmied in Morbach im Hunsrück einen Lehrling sucht und der einzig geeignete Kandidat aus Hillesheim in der Eifel stammt. Dass in diesem Jahr so viele Jugendliche auf den Ausbildungsmarkt strömen, hat für Thull vor allem eine Ursache: die rheinland-pfälzische Schulreform, nach der rund 500 Jugendliche zusätzlich allein in der Region Trier eine Lehrstelle suchen - ein Plus von elf Prozent gegenüber dem Vorjahr (Bundesdurchschnitt: plus 0,6 Prozent). Denn unversorgte Jugendliche, die nach der Hauptschule die neue Berufsfachschule (BF) I mit einem Notendurchschnitt schlechter als "befriedigend" abgeschlossen haben, dürfen nicht die BF II zur Mittleren Reife besuchen. Und das sind laut den Erfahrungen von Toni Thull zwei Drittel aller BF-I-Schüler. Damit waren in der Region insgesamt 5067 Jugendliche auf Job-Suche. Etwa zwei Drittel aller Betriebe stellten mit 3571 Ausbildungsstellen knapp zwei Prozent weniger Plätze zur Verfügung als 2004 (Bundesweit: minus 9,3 Prozent). "Die Region ,funktioniert'", wertet Thull, weil die Betriebe und Kammern ihrer Verantwortung für die Ausbildung nachkämen und es eine gute Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur gebe. Davon können Sandra und die anderen unversorgten Jugendlichen profitieren. In den Gesprächen der "Nachvermittlungsbörsen" sind Berufsberater und Paten der Wirtschaftskammern dabei, weisen auf offene Stellen hin und begleiten bis hin zum Job. Von 439 Unversorgten haben 270 Jugendliche reagiert, 188 haben in dieser Woche einen Termin, 45 werden nachbetreut. Wer keinen der 165 Ausbildungsplätze ergattert, kann eine "Einstiegsqualifizierung" (EQJ) bekommen. Das Berufspraktikum von einem Jahr zahlt dem Jugendlichen eine Vergütung und Sozialversicherungsbeiträge. Außerdem gibt es bezahlte Berufsvorbereitungs-Trainings vom Arbeitsamt oder unbezahlte Praktika des Landes aus dem Programm "Fit für den Job". "Wir haben genug Angebote, allerdings nicht genug feste Stellen", sagt Thull. "Ich weiß, dass ich zu spät begonnen habe, mich zu bewerben. Aber ich habe eine Aussicht auf ein Jahrespraktikum im Textil-Einzelhandel", sagt die 17-jährige Sandra dankbar. Und laut ihren Beratern hat sie beste Chancen, auch den künftigen Chef von ihren Qualitäten zu überzeugen - selbst, wenn die Schulnoten bisher ein Hindernis waren. Unversorgte Jugendliche aus den Kreisen Bitburg-Prüm, Daun und Bernkastel-Wittlich haben am heutigen Freitag einen Termin zur "Nachvermittlungsbörse" in Bitburg, Gerolstein und Wittlich.

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