Marktbereinigung unter Gewerkschaftern

Margret Suckale, Personalvorstand der Bahn, ging diesmal auf Nummer sicher. "Ich bin nicht aus dem Raum gegangen, bevor nicht alle unterschrieben hatten." Schon einmal, Ende Januar, wähnte sich die resolute Verhandlerin sicher, dass der harte Tarifkonflikt mit der Lokomotivführer-Gewerkschaft GDL vorbei sei. Und musste sich dann eines Besseren belehren lassen.

Berlin. Erst am Sonntagnachmittag wurde die Gefahr neuer Streiks nach einem zweitägigen Verhandlungsmarathon endgültig beendet. Suckale hofft, dass ihr Unternehmen nun bis 2014 Ruhe hat. So lange ist die Laufzeit eines Basistarifvertrages, den neben Bahn-Chef Hartmut Mehdorn auch der GDL-Vorsitzende Manfred Schell und die Chefs der in einer Tarifgemeinschaft (TG) zusammengeschlossenen beiden anderen Eisenbahner-Gewerkschaften GDBA und Transnet unterschrieben haben. Es ist ein Vertrag, der vor allem die Abgrenzung zwischen den Gewerkschaften regelt. Denn ihre Konkurrenz war der eigentliche Streitpunkt. Eine Lohnerhöhung von elf Prozent hatte die Bahn der GDL schon im Januar zugestanden. Doch Mehdorns Bedingung dafür, die GDL solle sich im Gegenzug zur Kooperation mit den anderen Bahngewerkschaften verpflichten, stieß auf Widerstand. Laut Suckale gab es viele "Missverständnisse" und Ängste bei der GDL, sich den anderen Gewerkschaften, die beide größer sind, unterordnen zu müssen. Im Grunde war es ein dreiseitiger Streit, beschreibt Suckale die Situation. "Eine Lösung konnte erst gefunden werden, als alle drei an einem Tisch saßen." Das gelang Mehdorn am Samstag ohne Vermittlung des Verkehrsministers Wolfgang Tiefensee (SPD), der sich nicht einschaltete. Das Ergebnis vom Sonntag ist eine Art Marktbereinigung zwischen den Arbeitnehmer-Organisationen. Die GDL verhandelt künftig allein über die Tarife der Lokführer, auch jener, die noch bei den anderen Gewerkschaften organisiert sind. Dafür beansprucht sie keine Zuständigkeiten für die fünf anderen Personalbereiche der Bahn. Es wurde abgegrenzt, wer zu welchem Bereich gehört. Demnach ist die GDL für alle Arten von Lokführern zuständig, außer für Lok-Rangierführer und Disponenten. Zudem versprachen die Gewerkschaften, ihre Tarifverträge gegenseitig anzuerkennen. Ein Kooperationsabkommen zwischen ihnen machte Mehdorn nicht mehr zur Bedingung, doch glaubt Suckale, dass die Gewerkschaften nun, da ihr gegenseitiger Machtkampf beendet ist, daran von sich aus ein Interesse haben. Da alle jetzt abgeschlossenen Tarifverträge gleichzeitig Ende Februar 2009 auslaufen, bestünden gute Chancen, dass die Gewerkschaften sich dann abstimmten. Unklar ist, welche Konsequenzen die Einigung für die Bahnkunden haben wird. Mehdorns Drohung aus dem Januar, die Tariferhöhung werde zu höheren Preisen und Rationalisierungen führen, wurde gestern vom Konzern nicht wiederholt. Suckale betonte, dass die Bahn sich Gedanken machen müsse, wie sie die Kostensteigerungen auffangen könne. Klar ist, dass die Bahn künftig mehr Lokomotivführer in der nicht dem neuen Tarifvertrag unterliegenden "DB-Zeitarbeit" beschäftigen will. Von 350 auf 1000 soll deren Zahl ansteigen.

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