Mehr Lehrgeld fürs Waschen und Schneiden

Prüm/Körperich · Vereinbarung im Einvernehmen: Auf Initiative der Arbeitgeber im Rheinland haben sich Friseurbetriebe und die Gewerkschaft Verdi nach fast 20 Jahren auf einen neuen Ausbildungstarifvertrag und eine höhere Vergütung der Azubis geeinigt. Denn die Branche kämpft um jeden Lehrling, in der Region sind zum Sommer hin noch 50 Lehrstellen offen.

 Die Auszubildende Lisa Reuland liebt ihren Beruf. Vom 1. August an erhalten sie und andere Friseurlehrlinge eine höhere Vergütung. Foto: LV Friseure Rheinland

Die Auszubildende Lisa Reuland liebt ihren Beruf. Vom 1. August an erhalten sie und andere Friseurlehrlinge eine höhere Vergütung. Foto: LV Friseure Rheinland

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Haare schneiden zu lassen ist Vertrauenssache. Schließlich hält ein guter Friseur nicht nur Kamm und Schere in der Hand, sondern entscheidet mit dem Ergebnis auch über Laune und Selbstbewusstsein seiner Kundinnen und Kunden. Hinzu kommt, dass er wissen muss, was Wickler, Föhn und Colorationen bewirken, und worauf er im Umgang mit Chemikalien achten muss. Obwohl der Friseurberuf immer noch zu den fünf beliebtesten Ausbildungsberufen für Mädchen in Deutschland gehört, kämpfen die Arbeitgeber um jeden Azubi. Insgesamt 50 offene Lehrstellen gibt es noch allein in der Region Trier zum Stichtag des neuen Ausbildungsjahres am 1. August zu besetzen. Nun soll zumindest im Landesverband Friseure & Kosmetik (LV) Rheinland für rund 1000 Lehrlinge der Beruf finanziell attraktiver werden.Ausbildung jetzt!


Nach 1996 haben sich Arbeitgeber und die Gewerkschaft Verdi erstmals wieder auf einen neuen Ausbildungstarifvertrag und eine höhere Vergütung geeinigt (siehe Extra). Dabei ging die Initiative von den Arbeitgebern aus. "Es steckt ungeheurer Druck in den Betrieben, denn es wird immer schwerer, Nachwuchs zu gewinnen. Der neue Ausbildungstarifvertrag bedeutet einen Meilenstein für mehr Fachkräfte", ist der LV-Geschäftsführer Dirk Kleis in Prüm überzeugt. Das habe auch mit einem schlechten Image der Branche zu tun, da sei eine bessere Ausbildungsvergütung ein erster Schritt.
Laut dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Bonn lösen immerhin 40 Prozent der Friseur-Azubis ihren Ausbildungsvertrag wieder auf, bislang liegt das Entgelt im Vergleich mit anderen Ausbildungsberufen im untersten Bereich. Bislang wurde die Ausbildungsvergütung jährlich Empfehlungen angepasst, nun gibt es wieder ein Regelwerk mit bis zu 600 Euro Lohn im dritten Lehrjahr. "Das ist ein Riesenschritt seitens der Arbeitgeber und die logische Folge des Mindestlohns", sagt Landesinnungsmeister Guido Wirtz aus Körperich (Eifelkreis Bitburg-Prüm). Die Verhandlungen mit Verdi seien einvernehmlich verlaufen.Viele Friseure ohne Azubi


Und auch Verdi-Sekretär Jürgen Jung ist zufrieden: "Wir setzen ein wichtiges Zeichen für junge Menschen. Wer in einem qualifizierten Beruf arbeitet oder ihn erlernt, muss auch davon leben können." Denn dass die Arbeit anspruchsvoll ist, zeigt, dass Lehrlinge oft anderthalb Jahre und mehr warten müssen, bis sie erstmals selbst die Schere anlegen dürfen. Bis dahin müssen an Puppen und Modellen alle Basishaarschnitte sitzen und abgefragt sein.
"Dass der Beruf in eine gewisse Schmuddelecke gerutscht ist, dass manche Strukturen dadurch erst möglich wurden, sind wir Friseure auch selbst schuld", sagt Landesinnungsmeister Wirtz selbstkritisch. Er spricht dabei unter anderem die aufgekommenen Billigfriseure und die Zersplitterung der Branche in Klein- und Kleinstunternehmer an. Rund 80 000 Betriebe gibt es derzeit in Deutschland, etwa die Hälfte von ihnen arbeitet als Alleinunternehmer oder mit einem Umsatz bis maximal 50 000 Euro im Jahr, ohne dabei Lehrlinge auszubilden. Den Boom der Billigfriseure wertet LV-Geschäftsführer Kleis als "Fehlentwicklung des Friseurhandwerks", sieht jedoch dank Mindestlohn und Ausbildungstarifvertrag bereits eine neue Entwicklung. Da die Lohnkosten beim Friseur etwa 50 Prozent aller Kosten ausmachten, wirke sich dies auch auf die Preise aus. "Wir sehen allerdings die wachsende Bereitschaft der Kunden, für eine qualifizierte Dienstleistung auch mehr zu zahlen", sagt Friseurmeister Wirtz.
Extra

In den 530 Friseurbetrieben in der Region Trier sind derzeit rund 250 Auszubildende in den drei Lehrjahren beschäftigt. Schon vor zwei Jahren wurde für die Beschäftigten in der Branche ein Mindestlohn von 8,50 Euro in der Stunde von Arbeitgebern und der Gewerkschaft Verdi ausgehandelt. Ab 1. August gilt er flächendeckend. Nun folgt im Landesverband Friseure & Kosmetik Rheinland auch der Ausbildungstarifvertrag. Zuletzt hatte es 1996 einen Tarifvertrag für Azubis gegeben. Lehrlinge erhalten im ersten Lehrjahr vom 1. August an 400 Euro (vorher 320 Euro), im zweiten 500 Euro (vorher 430 Euro) und im dritten Lehrjahr 600 Euro (vorher 500 Euro). Berufsschulklassen gibt es in Trier, Bitburg und Bernkastel-Kues. sas

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