Miese Zahlungsmoral

BERLIN/TRIER. Schon lange klagen Betriebe, die Zahlungsmoral von Firmen, Verbrauchern und der Öffentlichen Hand wurde immer schlechter. Nun reagiert der Spitzenverband des Handwerks und will Rot-Grün zu neuen Gesetzen bewegen, damit die Unternehmen schneller an Forderungen herankommen.

Der eine zahlt die Winterreifen nicht, ein anderer will die Heizungsreparatur nur nach mehrfacher Mahnung löhnen. Die Zahlungsmoral der Deutschen scheint am Boden zu sein. Immer mehr Betriebe beschweren sich über die schleppende Begleichung von ausstehenden Rechnungen. Was auf den ersten Blick wie ein "Kavaliersdelikt" aussieht, ist für viele Unternehmen in Deutschland zur Existenzbedrohung geworden. Ausstehende Rechnungen werden immer zögerlicher bezahlt - dieser Erfahrung machen zur Zeit alle Branchen. Neue Gesetze seien notwendig, um schneller und erfolgreicher säumigen Zahlern auf den Pelz zu rücken, sagen der Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH) und der Bundesverband der Deutschen Inkasso-Unternehmen (BDIU). Dreh- und Angelpunkt der Diskussion ist laut Dieter Philipp, Präsident des Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH), "ob die Regelungen das Ungleichgewicht zwischen Besteller und Werkunternehmer reduzieren oder vergrößern". Wer zum Beispiel 100 Fenster einbaue, dürfe sie nicht wieder ausbauen, wenn der Kunde nicht zahle. "Er verliert doppelt - seinen Werklohn und die Vorleistung für das eingebaute Material", erläutert der Handwerks-Präsident. Erste Vorschläge für eine Verbesserung lägen allerdings auf dem Tisch - "das muss jetzt umgesetzt werden", kommentiert Giebel. Allein das Handwerk ist von 4800 Pleiten betroffen - überwiegend kleine Firmen mit bis zu fünf Mitarbeitern. Die Zahl der Beschäftigten in diesem Wirtschaftszweig wird deshalb um fünf Prozent in diesem Jahr sinken. Schwarzarbeit und Wirtschaftskrise sind daran schuld, aber es gibt auch einen weiteren Grund: "Für geleistete Arbeit wird immer seltener pünktlich gezahlt", so Philipp. Zunehmend würden Auftraggeber sogar versuchen, vorsätzlich die Bezahlung ganz oder teilweise zu vermeiden. Beliebtes Mittel dazu seien ungerechtfertigte Mängelrügen. "Solche Leute nehmen damit die Pleite des Betriebes mit all den Folgen in Kauf", beklagt Ulf Giebel, Verbandssprecher des BDIU. Die Finanzkrise der öffentlichen Hand bedroht überdies zunehmend das Handwerk. Öffentliche Auftraggeber bezahlen zwar ihre Rechnungen, "sie lassen sich aber deutlich mehr Zeit damit als früher". Nur etwa jede zweite Kommune zahlt noch pünktlich. Privatinsolvenzen auf Rekordhöhe

Die Folgen für die Handwerker: "Das Geld wird knapp, oft fehlen einfach die Mittel, um für neue Aufträge in Vorleistungen gehen zu können." Für das Handwerk und die Inkasso-Unternehmen steht daher fest: Die gesetzliche Änderungen müssen schnell her. Und: "Der Umgang mit Geld und Schulden muss in die Lehrpläne der Schulen", forderte Giebel. Denn auch die 65 000 Insolvenzen von Privatpersonen in diesem Jahr sind ein Rekord. Die HWK und die Kreishandwerkerschaften unterstützen Mitgliedsbetriebe mit einem speziellen Servicepaket. Ein Rahmenvertrag mit einer Wirtschaftsauskunftei zu Sonderkonditionen für Mitgliedsbetriebe ist im Aufbau. In einer Weiterbildungsveranstaltung lernen die Teilnehmer, "wasserdichte" Verträge zu schließen sowie Rechnungen und Mahnungen richtig und rechtzeitig auszustellen. Weitere Infos zu dem Thema: Matthias Schwalbach, Telefon: 0651-207-352.

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