Milliarden missbraucht

BERLIN. Die neuen Bundesländer hätten im Jahr 2004 rund die Hälfte ihrer Finanzhilfen aus dem Solidarpakt für das Stopfen von Haushaltslöchern missbraucht, anstatt damit Investitionen zu tätigen, kritisiert das Bundesfinanzministerium.

Ost-Länder missbrauchen Solidarpaktmittel. Einzig der Freistaat Sachsen habe nahezu komplett eine sachgerechte Verwendung nachgewiesen. Das geht aus der aktuellen Stellungnahme des Bundesfinanzministeriums zu den Fortschrittberichten der neuen Länder hervor, die der Finanzplanungsrat von Bund und Ländern auf seiner Sitzung am 16. Februar erörtern will. Die zweckgerechte Verwendung der so genannten Sonderbedarfs-Ergänzungszuweisungen des Bundes, die im Jahr 2004 rund 10,5 Milliarden Euro betrugen, sei "noch nicht zufrieden stellend", heißt es in der Stellungnahme, die unserer Zeitung vorliegt. Demnach setzten die ostdeutschen Länder nur etwa fünf Milliarden Euro laut den Vorgaben ein. Das sei "eine aus Sicht des Aufbaus Ost deutlich zu niedrige Gesamtquote der sachgerechten Verwendung", wird in der Vorlage bemängelt. Kein ostdeutsches Land habe die Sondermittel vollständig im Sinne des Solidarpakts verwendet. Während Sachsen die zusätzlichen Mittel zu etwa 97 Prozent ordnungsgemäß verausgabte, habe das Land Berlin seine Gelder "wie in den Vorjahren vollständig zweckentfremdet zur Finanzierung laufender Ausgaben eingesetzt". Brandenburg und Thüringen hätten die Mittel nur zur Hälfte solidarpaktgerecht verwendet. In Sachsen-Anhalt war es nur etwa jeder zehnte Euro. Viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst

Ursache der hohen öffentlichen Ausgaben im Osten ist nach Einschätzung des Bundesfinanzministeriums "insbesondere die überdurchschnittlich hohe Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst". Auf 1000 Einwohner kamen 2004 im Osten 42 Staatsdiener. Im Westen waren es nur etwa 36. Rein rechnerisch ergebe sich im Osten ein Personalüberhang von 78 000 Mitarbeitern. Bei den Zinsausgaben im Osten sei ein "Besorgnis erregender Zuwachs" zu verzeichnen. Im Durchschnitt der Ost-Länder belaufe sich die Zinsausgabenbelastung je Einwohner inzwischen auf 87 Prozent des Niveaus der finanzschwachen Westländer. Vor zehn Jahren waren es noch etwa 50 Prozent gewesen. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in einem dramatischen Anstieg der öffentlichen Verschuldung wider. Mit Ausnahme Sachsens übertreffe der Schuldenstand je Einwohner im Osten mittlerweile den Wert der westdeutschen Vergleichsländer, die mit 7065 Euro pro Kopf verschuldet sind. "Auch wenn die aktuelle wirtschaftliche Lage die Senkung der Nettokreditaufnahme bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung eines hohen Investitionsniveaus erschwert, können die ostdeutschen Länder nicht aus ihrer politischen Verantwortung für die zweckgerechte Verwendung der Solidarpaktmittel entlassen werden", sagt das Bundesfinanzministerium. Seit vier Jahren sind die neuen Länder verpflichtet, über die sachgerechte Verwendung der Solidarpaktmittel zu informieren. Nach dem neuen Solidarpakt II sollen bis zum Jahr 2019 insgesamt 156 Milliarden Euro zum Abbau der teilungsbedingten Sonderlasten sowie zum Ausgleich der schwachen kommunalen Finanzkraft in den Osten fließen.

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