Mit Handy in den Kindergarten

TRIER. Wer keins hat, ist out: Handys gehören heute zur Standard-Ausstattung Jugendlicher. Selbst Kinder wollen nicht mehr ohne sein. Doch das Bundesamt für Strahlenschutz sagt: Handys gehören nicht in Kinder-Hände.

"Papa, ich will auch ein Handy." Welcher Vater hat diesen Satz noch nicht von seinem heranwachsenden Sprössling gehört? Alle Argumente, dass es unnötig sein könnte, ein solches Gerät zu besitzen, und dass es durchaus nicht immer von Vorteil ist, ständig und überall erreichbar zu sein, fruchten nicht. Der Nachwuchs besteht darauf, immer am Netz zu sein. Ohne Handy ist man nichts, man gehört nicht dazu. "Ein Handy erleichtert die Integration in die unterschiedlichsten Gruppen", stellt die aktuelle Kids-Verbraucher-Studie fest. Handys gehören zur Grundausstattung von Jugendlichen. Laut Kids-Studie sind heute 46 Prozent mehr Jugendliche mobil zu erreichen als noch vor zwei Jahren. Der von Werbung und Freunden eingeredete Zwang, ein Handy zu besitzen, macht auch vor den ganz Kleinen nicht halt. Noch diesen Monat soll ein Kinder-Handy auf den Markt kommen. Der Zwickauer Anbieter Semec vertreibt das aus Japan stammende und an die in den 90er-Jahren für Furore sorgenden Tamagotchis erinnernde Hi-Phone. Kostenpunkt: zwischen 85 und 119 Euro. Zielgruppe sind die Sechs- bis Neunjährigen. Verbraucherschützern graut es davor, demnächst vielleicht auch Vier- oder Fünfjährige mit einem Handy am Ohr auf dem Spielplatz oder im Kindergarten herumlaufen zu sehen: "Die sollen damit doch nur an die richtigen Handys herangeführt und zu den Kunden von Morgen gemacht werden", kritisiert Barbara Steinhöfel von der Verbraucherberatung Rheinland-Pfalz. Kinderschützer und Wissenschaftler warnen zudem vor gesundheitlichen Gefahren durch Handy-Strahlen. Laut den Empfehlungen des Bundesamtes für Strahlenschutz (BFS) sollten Kinder bis 16 Jahre sowieso von Handys fernbleiben. Eine Empfehlung, die von den Kindern und Jugendlichen wenig ernst genommen wird. Immerhin besitzen sieben Prozent der Sechs- bis Neunjährigen ein Handy, und 42 Prozent wünschen sich eins. Von den Zehn- bis Zwölfjährigen ist bereits jeder Dritte mobil erreichbar. Tendenz steigend. "Kinder, die sich im Wachstum befinden, reagieren gesundheitlich empfindlicher auf die Strahlenbelastung eines Handys als Erwachsene", so BFS-Präsident Wolfram König. Mehr noch als bei Erwachsenen könne die ständige Handy-Nutzung bei Kindern die Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigen und das Gehirn schädigen, warnt auch der Wissenschaftsladen in Bonn. Doch nicht allein von den Kindern geht der Wunsch nach einem Handy aus. Zwei Drittel der Eltern befürworten nach einer Umfrage aus dem vergangenen Jahr, dass ihr Nachwuchs ein Mobiltelefon hat und so besser erreichbar ist. Genau damit argumentiert auch Hi-Phone-Vertreiber Semec. Das Kinder-Handy, das nur drei Tasten hat (Anrufen und Rufannahme, Ein- und Ausschalten und Nummern-Auswahl mit fünf festgespeicherten Nummern), sei Garant dafür, dass die Kinder jederzeit erreichbar seien und ihre Eltern anrufen könnten, sagt Semec-Geschäftsführer Sven Damm. Sein Rat: "Eltern sollten ihren Kindern das Handy nur zu gewissen Anlässen geben, damit sie erreichbar sind, und es danach wieder an sich nehmen." Kinder bräuchten nicht den ganzen Tag ein Handy, aber gelegentlich sei es sinnvoll. Bedenken bezüglich der Gesundheitsgefährdung kommentiert Damm so: "Die Gefahr durch eine begrenzte Handynutzung dürfte schwächer sein als die Strahlengefahr bei Videospielen, Computern und Fernsehern." Außerdem sollten die Kinder sowieso nur mit dem Knopf im Ohr (Headset) telefonieren. Vielen dürfte das bunte Handy zu kindisch und simpel sein. Vielleicht schafft es aber (Werbe-)Superstar Daniel Kübelböck, der für das Hi-Phone wirbt, dass das Tamagotchi-Handy zumindest ein kurzzeitiger Renner im Kinderzimmer wird.

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