"Mit den Füßen abstimmen"

Die Energiekonzerne Eon und RWE haben Strompreiserhöhungen von bis zu 9,9 Prozent angekündigt. Die Bundeskanzlerin will das nicht widerstandslos hinnehmen. "Wir werden uns das sorgfältig ansehen", sagte Angela Merkel (CDU) in einem Interview. Gerd Billen, Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, rät Stromkunden zum Wechsel des Anbieters.

Berlin. (vet) Das Gespräch mit Gerd Billen führte unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter. Herr Billen, kennen Sie ein wirksames Mittel, um massive Strompreisanhebungen für die Verbraucher zu unterbinden?Gerd Billen: Das beste Mittel ist, die Verbraucher stimmen mit den Füßen ab und wechseln den Stromanbieter. Sie müssen den Unternehmen, die jetzt massive Preiserhöhungen planen, die Rote Karte zeigen. Doch was nützt der Wechsel, wenn auch kleine regionale Anbieter ihre Preise anheben?Billen: Von einem durchgreifenden Wettbewerb auf dem Strommarkt sind wir noch weit entfernt. Solange in Deutschland vier Unternehmen mehr als 80 Prozent der Stromproduktion in der Hand haben und auch noch die Netze kontrollieren, werden die Verbraucher abgezockt werden. Dennoch lohnt der Wechsel des Stromanbieters. Die Verbraucher sparen damit nicht nur Geld. Sie tragen auch zur Belebung des Wettbewerbs bei. Die Regierung will das Kartellrecht reformieren. Demnach sollen die Energieunternehmen die Rechtmäßigkeit ihrer Preisanhebungen beweisen. Ein richtiger Weg? Billen: Preis-Transparenz ist absolut erforderlich. Entscheidend ist aber eine Entflechtung der Strukturen. Das heißt, die Stromerzeuger dürfen nicht gleichzeitig über die Netze verfügen. Dadurch ist der Markt verkrustet. Wenn große Konzerne behaupten, der Strom sei noch zu billig, aber gleichzeitig Rekordgewinne einstreichen, dann spricht das für sich. Wenn nun die Bundesregierung das nicht mehr so hinnehmen will und ihre Eingriffsrechte ausweiten möchte, dann ist das ein großer Fortschritt. Die Stromkonzerne begründen ihre Pläne mit höheren Beschaffungskosten und den Belastungen durch die Förderung erneuerbarer Energien. Sind das stichhaltige Argumente? Billen: Das Klagelied hören wir schon länger. Indem die Netze einer zunehmenden Regulierung unterliegen, lassen sich an dieser Stelle auch nicht mehr so hohe Gewinn-Margen erzielen. Deshalb greifen die Stromanbieter auf andere Begründungen zurück, um ihre dreisten Preiserhöhungen zu rechtfertigen. Bei Atomstrom, der ja bei Eon oder RWE eine große Rolle spielt, gibt es keine höheren Beschaffungskosten. Wo fängt Preis-Missbrauch an? Billen: Preiserhöhungen, die nachweisbar auf höhere Beschaffungskosten zurückzuführen sind, sind für Verbraucher bitter, aber nachvollziehbar. Auch die Förderung erneuerbarer Energien stößt auf Zustimmung, weil wir damit langfristig unabhängig von fossilen Energien werden. Der Missbrauch beginnt da, wo Monopolisten ihre Macht missbrauchen. Und das ist im Strommarkt der Fall.

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