Mit den Stones in die Zukunft

In früheren Jahrhunderten mussten Überbringer übler Nachrichten schon einmal mit dem Leben bezahlen, wenn ihre Botschaften zu schlecht waren. Beim Unternehmerforum in Wittlich wurde Frank Schirrmacher für seinen Eröffnungsvortrag stürmisch gefeiert - vielleicht, weil er im demografischen Wandel auch Chancen sieht.

Wittlich. Die rund 200 Gäste beim 5. Wittlicher Unternehmerforum verließen auf jeden Fall verändert die Synagoge, die einen passenden Rahmen für die Eröffnung der Veranstaltung bot. Zuvor hatte Professor Axel Schmidt, Vorstand des ausrichtenden Trierer Instituts für Mittelstandsökonomie (Inmit), das Thema für die zweitägige Veranstaltung ausgegeben: "Wandel als unternehmerische Chance".Die Zeichen der Zeit erkennen

Seit der Erstauflage 1996 wird das Forum in bewährter Zusammenarbeit von Inmit und der Stiftung der Stadt Wittlich (Schirmherrschaft) angeboten. In Vorträgen und Workshops will die Veranstaltung Unternehmen Anregungen geben, um die Zeichen der Zeit zu erkennen. Professor Schmidt: "Um als Unternehmen erfolgreich zu sein, reicht es eben nicht aus, zu wissen, aus welcher Richtung der Wind weht, man muss auch rechtzeitig die Segel setzen."Für Hans Friderichs, Vorsitzender Kuratorium Stiftung Stadt Wittlich, ist das auch das Erfolgsrezept. Mit der Auswahl der Referenten sei dem Veranstalter auch diesmal ein "großer Wurf" gelungen. Frank Schirrmacher, Bestseller-Autor ("Das Methusalem-Komplott" und "Minimum") und Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, nahm die Teilnehmer mit auf eine Zeitreise. Denn die Gesellschaft betrete in Zukunft absolutes Neuland: "Zum ersten Mal in der Geschichte unserer Gesellschaft wird es mehr ältere als jüngere Menschen geben." Der Tag X werde sich etwa im Jahr 2020 einstellen, und diese Entwicklung sei auch in den kommenden 100 Jahren nicht umzudrehen. Im Jahr 2040 wird bundesweit der Altersdurchschnitt bei 49 Jahren liegen, ein Drittel aller Deutschen ist dann älter als 60 Jahre."Alter wird zur Norm, weltweit", sagt Schirrmacher, und wenn er bei dieser Lage etwas Ermunterndes einwirft, dann ist es ein Witz: "Deutschland ist nicht das geburtenschwächste Land in Europa, das ist der Vatikanstaat, erst danach kommen wir." Politiker-Sprüche wie "Deutschland hat ein Demografie-Problem" (Edmund Stoiber) lässt er nicht gelten: "Wir sind das demografische Problem." Verstärkt werde diese Tatsache durch einen Schrumpfungsprozess, der etwa ab 2050 einsetze.Doch Schirrmacher trat in Wittlich nicht als "Apokalyptischer Reiter" auf, sondern sieht auch mit viel Freude in die Zukunft. "Heute ist ein 70-Jähriger genauso vital, wie es ein 49-Jähriger 1980 war. Die Menschen werden gesünder alt." Dieser Wandel müsse sich auch noch bei jedem Einzelnen "im Kopf" abspielen. Für die Wirtschaft erwachsen aus dieser Entwicklung neue Chancen. Die Älteren hätten eine große Kaufkraft, neue Märkte würden sich erschließen.Die Veränderungen in der Arbeitswelt könnte die Gesellschaft nur leisten, wenn sie alle Potenziale ausschöpfe. "Junge, gut ausgebildete Frauen werden eine kostbare Ressource." Und noch einen positiven Blick wirft Schirrmacher in die Zukunft: "Auch 2050 wird ein Oldie-Sender die Rolling Stones spielen, weil sie noch viele 90-Jährige an die tollen Konzerte erinnern."

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