Mit der Bahn an die Börse

Nach jahrelangem Streit über einen Börsengang der Deutschen Bahn hat die Bundesregierung die Weichen für die Teilprivatisierung gestellt. Das Kabinett beschloss gestern einen Gesetzentwurf von Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD).

Berlin. Das war noch nicht das Ende des Dramas Bahnprivatisierung, sondern allenfalls ein erster Akt, vielleicht auch nur der Prolog. Während das Kabinett das Gesetz beschloss, und Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) bereits von einem Börsengang 2008 sprach, meldeten sich parteiübergreifend Verkehrspolitiker aus Bundestag und Ländern mit massiver Kritik zu Wort. Beide Kammern muss das Gesetz noch passieren, und das wird nicht ohne erhebliche Änderungen geschehen, wie CDU-Verkehrspolitiker Klaus Lippold ankündigte. Scheitern nicht ausgeschlossen. Um dem Projekt Nachdruck zu verleihen, schilderte Tiefensee, wie sehr Kanzlerin Angela Merkel und andere Regierungsmitglieder ihn in der Kabinettssitzung bestärkt hätten. "Dieses Gesetz hat meine volle Unterstützung", habe Merkel gesagt. Normalerweise wird über Äußerungen aus dieser Runde nie berichtet. Das Unternehmen werde "zukunftsfest für den europäischen Markt", die umweltfreundliche Schiene werde noch stärker genutzt werden, und auch "in der Fläche", also auf dem Land, bleibe die Versorgung gewährleistet. Genau das aber bezweifeln Länder, Städte und Gemeinden und Verkehrsverbände. 49 Prozent der Bahnanteile sollen ab 2008 verkauft werden, für geschätzte fünf bis sechs Milliarden Euro. Die erste Tranche soll 20 bis 25 Prozent der Anteile umfassen. Tiefensee ließ erkennen, dass die Emission eher auf Investoren aus der Branche oder institutionelle Anleger zielt als auf Privatleute. Nach dem Grundgesetz muss der Bund die Mehrheit an der Bahn behalten. Das Privatisierungsgesetz leiste jedoch mehr, führte der Minister aus. Es sorge, auch als Schutz gegen "Heuschrecken" oder fremde Staatsfonds, für eine so starke Stellung des Bundes, dass er praktisch immer 75-Prozent-Eigentümer bleibe. Hauptpunkt und Kompromiss vor allem mit der SPD-Fraktion ist, dass das Schienennetz Eigentum des Bundes bleibt, aber 15 Jahre lang von der Bahn benutzt und bilanziert werden kann. Die Bundesnetzagentur soll für Wettbewerb auf den Trassen sorgen. Der Minister versuchte, Argumente der Kritiker zu entkräften. Das Gesetz sei verfassungsrechtlich in Ordnung, sagte er. Einige Verbände haben bereits Klagen angekündigt. Das Schienennetz auf dem Lande werde nicht vernachlässigt. Und wenn Stilllegungen geplant seien, habe der Bund die letzte Entscheidung. Dass Bahnchef Hartmut Mehdorn mit den Milliarden in Schiffe und Containerterminals investieren will, ist, räumte Tiefensee ein, "dem Berufspendler schwer zu erklären". Aber auch zu Hause funktioniere der Betrieb nur, wenn das Unternehmen international gut aufgestellt sei. Hintergrund Gut fünf Millionen Menschen fahren jeden Tag mit der Deutschen Bahn AG. Insgesamt beförderte Europas größtes Verkehrs-Unternehmen im vergangenen Jahr fast 1,9 Milliarden Fahrgäste. Zudem wurden rund 300 Millionen Tonnen Güter auf der Schiene transportiert. Der bundeseigene Konzern unterhält ein Streckennetz von rund 34 000 Kilometern Länge. In den vergangenen Jahren hat sich das letzte große Staatsunternehmen mit rund 229 000 Beschäftigten in einen weltweit tätigen Transport- und Logistikkonzern gewandelt, mit 1500 Standorten in 150 Ländern. Unter dem Strich stand im vergangenen Jahr ein Gewinn von knapp 1,7 Milliarden Euro. Der Umsatz lag bei 30 Milliarden Euro.

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