Moderne Form der Sklaverei

TRIER. Knochenarbeit für 4,60 Euro die Stunde: Auf einen solchen Fall organisierter Kriminalität, bei dem polnische Bauarbeiter systematisch ausgenutzt wurden, sind Ermittler der "Finanzkontrolle Schwarzarbeit" des Hauptzollamtes Koblenz bei einer Großbaustelle in der Trierer Innenstadt gestoßen.

Frage: "Wie heißen Sie?" Antwort: "12 Euro 47." Solche Aussagen ausländischer Arbeitskräfte sind an der Tagesordnung, wenn die Kontrolleure Horst Erasmy und Ulrich Klaas in der Region Trier Baustellen überprüfen, bei denen sie Schwarzarbeit in großem Stil wittern. "Die Arbeiter sind von ihrem Chef gebrieft. Sie rattern die vorgeschriebene Höhe des Mindestlohnes herunter und belügen uns nach Strich und Faden", sagt Erasmy. Tauchen die Ermittler auf und geben sie sich zu erkennen, ist es für Lügen allerdings zu spät. Wochen-, manchmal monatelange Recherchen und Beobachtungen sind vorangegangen, so dass die Beamten des Hauptzollamtes Koblenz, Zweigstelle Trier, genau wissen, was sie vor Ort vorfinden.Recherchen und Beobachtungen

Ein Paradebeispiel der organisierten Schwarzarbeit zeigte sich dieser Tage in der Trierer Innenstadt, wobei es sich um die Baustelle auf dem Gelände der ehemaligen Deworaschule gehandelt hat, auf dem die gbt ein Wohn- und Geschäftshaus ("Domizil am Dom") errichten lässt. Der von der gbt beauftragte Generalunternehmer hatte seinerseits eine polnische Firma als Subunternehmer angeheuert. Das ist zunächst einmal legal, denn das so genannte "Arbeitnehmer-Entsendegesetz" sieht ausdrücklich vor, dass Arbeitnehmer aus dem ehemaligen Ostblock in Deutschland tätig werden dürfen. Voraussetzung ist der Abschluss eines Werkvertrages, in dem verbindlich die Lohnhöhe, die Dauer des Einsatzes, der Umfang des Auftrages und ein Leistungsverzeichnis vermerkt sind.12,47 Euro auf dem Papier, 4,60 Euro in der Hand

Problematisch wird es, wenn der für die Arbeiter festgelegte Lohn nur auf dem Papier steht. "Im Baugewerbe gilt ein Mindestlohn von 12,47 Euro", erklärt Theo Backendorf, Koordinator der Trierer "Finanzkontrolle Schwarzarbeit" (FKS). Die Einhaltung des Mindestlohns soll den Arbeitsmarkt schützen und deutsche Firmen unlautere Konkurrenz vom Hals halten. Die Überprüfung der Baustelle Deworaschule ergab, dass dort laut Werkvertrag offiziell 18 Polen von Dezember 2003 bis März dieses Jahres 7500 Stunden gearbeitet haben sollten. Die FKS-Fahnder staunten: In Wahrheit waren es 15 700 Stunden. "Die Leute waren täglich zwölf bis 13 Stunden auf der Baustelle und samstags ebenfalls, obwohl das verboten ist", sagt Horst Erasmy. Zudem schufteten die Polen für einen kümmerlichen Stundenlohn von 4,60 Euro. "Damit waren sie noch nicht einmal unzufrieden, denn in ihrer Heimat kassieren sie lediglich 1,50 Euro", erzählt Ulrich Klaas. Unterm Strich steckte sich der polnische Subunternehmer rund 100 000 Euro, die er zu wenig ausgezahlt hatte, in die eigene Tasche. Bei ihrer Razzia fackelten die Beamten nicht lange: Alle Polen urften nicht mehr auf der Baustelle arbeiten. Bei der deutschen Baufirma wurden 121 000 Euro gepfändet, dieses Geld bekommt der polnische Subunternehmer nicht mehr ausgezahlt. Falls der deutschen Firma eine Ordnungswidrigkeit nachgewiesen werden kann, droht ihr ein Bußgeld, das bis zu 500 000 Euro betragen kann. Die Ermittler freuen sich über ihren Coup - und wissen genau, dass dies nur ein Tropfen auf dem heißen Stein war. Wolfgang Hohl, Sachgebietsleiter der "Finanzkontrolle Schwarzarbeit", macht sich nichts vor: "Unsere Erfahrungen zeigen, dass es nicht eine Großbaustelle ohne Werkvertrag mit ausländischen Arbeitskräften gibt. Und diese Werkverträge werden in der Regel nicht eingehalten."

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