Mut zur Provokation

TRIER. (sas) Werbung muss stärker provozieren, um den Konsumenten hinter dem Ofen hervorzulocken. Das sagt Jean-Remy von Matt, einer der angesagtesten Kreativ-Köpfe Deutschlands. Auf Einladung des Marketing-Clubs Trier beschäftigte er sich in seinem Vortrag im Hotel Nell’s Park mit der Werbung der Zukunft.

Wer kennt nicht den Werbeslogan "Geiz ist geil" - eine Erfindung der Werbeagentur Jung von Matt aus Hamburg. Auch wenn Jean-Remy von Matt ihn heute etwas kritischer sieht als zur Zeit seiner Entstehung, so steht der Spruch dennoch nach Auffassung von Matts für das, was Werbung bedeuten muss: ",Geiz ist geil‘ hatte eine extreme Wortgewalt, die so nicht absehbar war." Denn ein starker Slogan sei die stärkste Form der Integration für den Verbraucher. "Botschaften werden schnell bekannt, wenn sie den Nerv treffen. Und ,Geiz ist geil‘ hat den Trend der Zeit nicht erst erfunden, ihm aber einen Namen gegeben", sagt von Matt. In 13 Agenturen im deutschsprachigen Raum und mit einem Umsatz von jährlich mehr als 300 Millionen Euro erfinden rund 500 Mitarbeiter der Agentur von von Matt und seinem Kompagnon Holger Jung Sprüche wie "Bild Dir Deine Meinung", "Hier tanken Sie auf" oder "Du bist Deutschland". Bekannteste, weil provokante Kampagne ist wohl die des Autovermieters Sixt, der mit Angela Merkel nicht nur für seine Miet-Cabrios warb, sondern auch für eine neue Frisur der Kanzlerin. "Diese Anzeige wurde zwei Mal für insgesamt 96 000 Euro geschaltet. Der Werbewert, den die anschließende Berichterstattung erzeugte, lag bei etwa 3,2 Millionen Euro", sagt der Werbe-Guru und verweist auf eine Magnetkraft, die Werbung angesichts von konkurrierenden Medien und Produkten haben müsse. Jeder Werbe-Impuls müsse ein kleines Ereignis sein, sagt von Matt: "Denn die Digitalisierung der Welt hat die Werbung verändert. Der Konsument ist kapriziös und ungeduldig - quasi verzickt, verzückt und verzockt. Eine Entwicklung vom Müllschlucker zum Rosinenpicker." Habe es früher Gemeinschaftserlebnisse gegeben, die die Werbung vor abschätzbare Herausforderungen gestellt habe, sei der Konsument nun so mächtig, dass er per Digitalrekorder sogar Werbebotschaften aus Fernsehsendungen ausblenden könne. Deshalb warb von Matt auch um mutige Entscheidungen und garnierte seine Aussagen plakativ mit kurzen Werbe-Filmen: "Mehr Bedenken bei Bedenken", forderte er. Ein werbendes Unternehmen könne es nämlich nicht riskieren, nicht zu provozieren, und wahre dabei dennoch Moral und Ethik.

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