Ohne Euro muss Athen aus der EU

Berlin · Die Bundesregierung entwickelt angeblich schon Szenarien für einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone. Der Chef des Düsseldorfer Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, hält das für schädlich.

Berlin. Im Gespräch mit unserem Korrespondenten Stefan Vetter wandte sich Gustav Horn auch gegen einen Schuldenschnitt für Athen, den der griechische Linkspopulist Alexis Tsipras im Falle seines Wahlsiegs am 25. Januar anstrebt.Herr Horn, ist die Regierung mit ihren Strategie-Spielen gut beraten?Horn: Ganz und gar nicht. Die Wahl in Griechenland steht noch aus. Was wir im Moment vorliegen haben, ist nur ein Wahlprogramm des Syriza-Chefs Tsipras und sonst nichts. Die von der Bundesregierung angestoßene Debatte ist sogar schädlich, weil sie die Verunsicherung auf den Finanzmärkten neu entfacht hat.Die EU-Verträge sehen die Abkehr eines Landes von der Euro-Zone gar nicht vor. Was wäre da überhaupt rechtlich machbar?Horn: Keiner kann Griechenland zwingen, die Drachme wieder einzuführen. Das müsste Athen schon selbst tun, allerdings mit dem Ergebnis, dann auch aus der EU ausscheiden zu müssen.Warum dieser Automatismus?Horn: In den europäischen Verträgen gibt es an dieser Stelle keine Differenzierungen. Festgelegt ist, dass alle EU-Länder, die nach einer gewissen Zeit bestimmte ökonomische Kriterien erfüllen, auch Mitglied des Euro-Raums sind. Im Umkehrschluss bedeutet das: Verlässt ein Land den Euro, muss es auch die EU verlassen. Ein solcher Austritt wiederum ist auf EU-Ebene klar geregelt.Nach Ihrer Darstellung müsste dann aber Großbritannien den Euro schon längst haben.Horn: Großbritannien hat sich Sonderregelungen in der EU erstritten. Für Griechenland gilt das nicht.Was würde ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro ökonomisch bedeuten?Horn: Die deutschen Steuerzahler würden alle finanziellen Garantien für Griechenland verlieren. Hier reichen die Schätzungen von 30 bis 80 Milliarden Euro. Hinzu kämen überschaubare Verluste für die deutschen Banken. Im Übrigen käme wohl unvermeidlich eine Spekulationsspirale in Gang, ob es nicht auch noch andere EU-Länder erwischen könnte.Auch wenn Griechenland beim Euro bliebe, könnte Deutschland zumindest einen Teil seiner Hilfen für Athen verlieren. Und zwar durch einen weiteren Schuldenschnitt.Horn: Diesen Teil des Syriza-Programms halte ich für unrealistisch und auch für schädlich. Wer soll den Griechen denn künftig überhaupt noch Geld leihen, wenn er stets damit rechnen muss, dass dieses Geld am Ende futsch ist? Wichtig aus Sicht der Gläubiger ist immer, dass Griechenland seine Schulden bedient. Und davon ist Athen wegen der niedrigen Zinssätze und dem Primärüberschuss im Haushalt gar nicht so weit entfernt.Das heißt, ein Schuldenschnitt ist gar nicht erforderlich?Horn: Richtig. Sobald wir in Griechenland ein nominales Wachstum haben, wird sich der Schuldenstand dort vermindern. Hier gibt es durchaus Hoffnung. Was allerdings nicht geht, ist, den harten Sparkurs weiter fortzusetzen, weil er das Wachstum immer weiter drücken würde. In diesem Fall käme Griechenland nie von seinen Schulden herunter. Vor diesem Hintergrund müssen diejenigen, die eine Fortsetzung dieses harten Sparkurses fordern, auch mal sagen, wie Griechenland unter diesen Bedingungen seine Schulden weiter bedienen soll. vet

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