Ohne Portemonnaie geht niemand zum Arzt

TRIER. Die Patienten in Deutschland jammern: Praxisgebühr und Zuzahlungen machen krank sein teurer. Was kostet Gesundheit in den europäischen Nachbarländern?

Die Gesundheitsreform treibt die Deutschen auf die Palme. Seit Januar müssen sie für den Arztbesuch bezahlen. Die europäischen Nachbarn reiben sich die Augen, worüber man sich in Deutschland aufregt. Denn im Ausland ist eine stärkere Eigenbeteiligung der Patienten längst gang und gäbe. Ein Blick in verschiedene Länder zeigt es:LUXEMBURG: In Luxemburg gibt es unterschiedliche Krankenversicherungen für die verschiedenen Berufsgruppen: Für Arbeiter, für Beamte, für Mitarbeiter kommunaler Behörden, für Selbstständige, für Arbeiter oder Angestellte der Stahlindustrie, für Landwirte, für Angestellte und für Eisenbahner. Wer im Großherzogtum zum Arzt geht, muss grundsätzlich die Kosten vorstrecken. 80 bis 90 Prozent davon können von der Caisse de Maladie (Krankenkasse) gegen Vorlage der Originalrechnung wieder zurückgefordert werden. Allerdings nur bei Rechnungen von Ärzten, die auch von der Kasse anerkannt sind. Ein einfacher Arztbesuch kostet mindestens 22 Euro, knapp 21 Euro werden erstattet. Einmal röntgen kostet etwa 26 Euro, ein wenig mehr als 24 Euro erhält der Versicherte in Luxemburg von der Kasse zurück. Medikamente sind in Luxemburg billiger als in Deutschland, wo der volle Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel fällig ist. Die Zuzahlungen in den Apotheken sind im Großherzogtum nur gering. Die Apotheken rechnen direkt mit den Kassen ab. Seit Januar erstatten die Kassen jedoch nicht mehr die Kosten für Medikamente, für die es in Luxemburg billigere Alternativen gibt.FRANKREICH: 20 Euro kostet in Frankreich der Arztbesuch. Die Praxisgebühr muss bar bezahlt werden. Wer zu einem Facharzt geht, muss sogar 30 Euro auf den Tisch legen. 70 bis 75 Prozent der Kosten werden von der allgemeinen Pflicht-Krankenversicherung erstattet, den Rest muss der Patient aus eigener Tasche bezahlen, falls er keine Zusatzversicherung hat. Die Kosten fallen bei jedem Arztbesuch an und nicht nur einmal im Quartal. Auch bei verschriebenen Medikamenten muss Vorkasse geleistet werden.BELGIEN: Auch in Belgien muss der Patient nach einer Behandlung zunächst einmal in Vorleistung treten. Die Arztrechnung wird bar oder per Kreditkarte bezahlt. Eine Praxisgebühr gibt es nicht. Alle Arbeitnehmer sind in einer Pflichtversicherung krankenversichert. Diese übernimmt einen Großteil der Kosten. Wie in Frankreich können private Zusatzversicherungen abgeschlossen werden, die die restlichen Behandlungs- und Medikamenten-Kosten übernehmen.DÄNEMARK: In Dänemark gibt es keine Praxisgebühr. Aber die zum Teil sehr hohen Behandlungskosten müssen von den Patienten übernommen werden. 70 Euro davon muss man im Jahr selbst tragen. Erst wenn die Ausgaben für Arzt, Krankenhaus und Medikamente 170 Euro überschreiten, übernimmt die Krankenkasse maximal 85 Prozent davon.NORWEGEN: In Norwegen gab es Anfang des Jahres ebenfalls eine Gesundheitsreform. Jeder Hausarztbesuch kostet 15 Euro, beim Facharzt müssen 29 Euro bezahlt werden, an den Fahrtkosten muss sich der Patient mit 13 Euro beteiligen und an Rezepten mit bis zu 53 Euro.SPANIEN: In Spanien ist jeder Arbeitnehmer in der staatlichen Sozialkasse pflichtversichert. Diese Versicherung übernimmt die Kosten für die Behandlung in einem Bezirksgesundheitszentrum, von wo aus der Patient in ein Krankenhaus überwiesen werden kann. Aber die Leistungen in den Kliniken sind begrenzt, und die Wartezeiten für die Behandlungen lang. Daher sind viele Spanier zusätzlich versichert, um sich die Behandlungen bei Privatärzten und in privaten Kliniken leisten zu können. Zuzahlungen gibt es bei den Medikamenten in Höhe von 40 Prozent.ÖSTERREICH: Auch in Österreich gibt es eine Pflichtversicherung für alle Bürger. Außerdem gibt es noch Krankenkassen. Die Zuzahlungen für Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte oder Brillen sind je nach Krankenkasse unterschiedlich.SCHWEIZ: In der Schweiz gibt es die so genannte Bürgerversicherung. Unabhängig vom Einkommen bezahlen alle Bürger eine Kopfpauschale in die Krankenversicherung. Die Schweizer müssen bei allen Behandlungen einen Großteil der Kosten selbst tragen. Beim Zahnarzt sind es sogar knapp 95 Prozent, die sie übernehmen müssen. Die Kostenbeteiligung der Versicherten gilt als eine der höchsten in Europa. GroSSbritannien : Das britische Gesundheitssystem wird zu 80 Prozent über Steuergelder finanziert. Alle Beschäftigten müssen einkommensabhängig Beiträge in eine Sozialversicherung zahlen, die einen geringen Teil der Zuzahlungen zu ärztlichen Leistungen und Medikamenten übernimmt. Die Briten haben die Möglichkeit, sich in den nationalen Gesundheitszentren behandeln zu lassen. Wegen fehlenden Personals und zu wenig Betten betragen die Wartezeiten beispielsweise für eine Miniskusoperation bis zu 20 Monaten. Daher schließen viele Engländer eine Zusatzversicherung ab, um sich in Privatkliniken behandeln zu lassen.

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