"Ost-Kräfte haben alles kaputtgemacht"

TRIER. Während viele Pflegebedürftige glücklich sind, dass sich eine Polin oder Tschechin um sie kümmert, betrachten deutsche Seniorenbetreuerinnen die Osteuropäerinnen oft als unwillkommene Konkurrenz. Ihre These: Dass sich hierzulande für solche Jobs niemand findet, ist ein Märchen.

"Die Kräfte aus Osteuropa haben uns alles kaputtgemacht", sagt Michelle (Name geändert). Mehr als elf Jahre lang hat die Mittvierzigerin aus der Region als Seniorenbetreuerin für eine Agentur gearbeitet, vor kurzem reichte sie die Kündigung ein. "Ich habe einfach keine Aufträge mehr erhalten." Nicht nur, dass Schwarzarbeiterinnen den teureren legalen Betreuerinnen zu schaffen machten: Auch innerhalb der Vermittlungs-Firmen hätten Osteuropäerinnen oft deutsche Kräfte verdrängt, erzählt Michelle - und erhält Unterstützung von Kolleginnen auch aus anderen Agenturen. "Es fing vor ungefähr fünf Jahren langsam an, dann kamen immer mehr Osteuropäerinnen. Sie haben sich nicht an die Arbeitsverträge der Agentur gehalten." Darin, berichtet Michelle, sei beispielsweise festgelegt, dass die Betreuerinnen nicht putzen und keine Gartenarbeiten erledigen müssten beziehungsweise für solche Jobs zusätzliches Geld erhielten. Oder dass ihnen jeden Tag zwei Stunden Freizeit zustünden. "Osteuropäerinnen haben solche Arbeiten aber gemacht, ohne sich extra bezahlen zu lassen und auf Freizeit verzichtet." Die Folge: "Bald hieß es: Deutsche haben zu hohe Ansprüche und pochen auf ihre Rechte. Wir wollen lieber Osteuropäerinnen." Michelle ist verbittert. "Es gibt viele Deutsche, die gerne als Betreuerinnen arbeiten. Aber wir werden immer mehr aufs Abstellgleis geschoben." Jetzt ist Michelle in einem Privathaushalt beschäftigt. 14 Tage am Stück kümmert sie sich um eine alte Dame, dann übernimmt ihre - deutsche - Kollegin für denselben Zeitraum. Die Seniorin sei vorher von Osteuropäerinnen versorgt worden, berichtet die Betreuerin. "Sie war fast stumm, weil sie die Frauen nicht verstand. Seit wir Deutsche uns um sie kümmern, spricht sie wieder." Solchen Pluspunkten und allen Beteuerungen, genug Deutsche seien zur Betreuung bereit, stehen Zahlen gegenüber: Der Abstand zwischen dem Verdienst einheimischer Kräfte und ihrer osteuropäischen Kolleginnen ist groß. Während Michelles Arbeitgeber seinen beiden deutschen Kräften zusammen rund 3600 Euro im Monat zahlt, beträgt das Bruttogehalt bei einer - ab Januar 2005 möglichen - legalen Beschäftigung einer osteuropäischen Haushaltshilfe in unserer Region rund 1100 Euro.

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