Per Heli an die Nervenbahn

TRIER. Während die Hintergründe für den großen Stromausfall vom 2. September weiterhin unklar sind, ist die RWE Rhein-Ruhr-AG bemüht, die Sicherheitsstandards zu heben. Mit europaweit einzigartigen Reparaturen an Hochspannungsleitungen vom Hubschrauber aus will man nun schneller und kostengünstiger arbeiten.

Nur wenige Zentimeter von der Hochspannungsleitung entfernt scheinen die Rotorblätter des dunkelblauen Hubschraubers die Luft schnell zu zerschneiden. Die Tür ist offen, ein Mann mit einem weißen Helm lehnt sich weit aus dem Fluggerät. Nur eine kleine Plattform trennt ihn vom Sturz in die Tiefe.Leitung steht weiter unter Strom

"Der Monteur ist natürlich gesichert", sagt Rainer Knodt, bei RWE zuständig für die Hochspannungsleitungen im Bereich Trier. An diesem Tag fliegt er mit einem zweiten Helikopter neben den Monteuren her und begutachtet die Reparaturen. Er ist auch der Mann, der die Schäden in einer Karte verzeichnet hat: "Wir haben schon seit langem aus der Luft schadhafte Stellen an den Leitungen festgestellt und vermerkt. Neu ist, dass auch die Instandsetzung vom Hubschrauber aus erfolgt." Mittlerweile hat der Monteur eine sperrige Drahtspirale um das von einem Blitzschlag aufgespleißte Seil gewickelt, während der Pilot Stärke und Richtung des Windes genau im Auge behält. Immerhin: Einen Stromschlag kann der warm eingepackte Mann, der in 60 Metern Höhe arbeitet, nicht bekommen: Er hantiert nicht an einer "heißen" Leitung der 380 000 Volt-Anlage, sondern an einem so genannten "Erdseil". Über die Glasfaser-Seele des Seils werden die Umspannanlagen gesteuert. "Wenn man so will, sind diese Lichtwellenleiter die Nervenbahnen unserer Technik", erläutert Michael Wahl, Mitarbeiter von Rhein-Ruhr. Normalerweise sind solche Arbeiten oft problematisch, vor allem, wenn sich die Leitungen in unwegsamem Gelände befinden: "Wenn das zu reparierende Teilstück in einem Wald- oder Feuchtgebiet ist oder gar über einer großen Talweite, können wir mit einem Kranfahrzeug nicht arbeiten", sagt Hochspannungsleitungs-Experte Knodt. Der Kran ist außerdem nicht ganz billig: Bei einer Reparaturzeit zwischen fünf und acht Stunden kostet sein Einsatz schon mal über 10 000 Euro. Die Seile müssen außerdem aus 70 Metern Höhe zu Boden gelassen und die Leitungen abgeschaltet werden. Ganz anders ist das beim "Flicken" der beschädigten Stelle vom Hubschrauber aus. Die Hochspannungsleitung steht weiter unter Strom, die Arbeit dauert wenige Minuten statt vieler Stunden, und auch die Kosten sinken - "um etwa 50 Prozent", betont Wahl von der RWE. Wie teuer genau eine Stunde Flug sei, hänge vom Helikopter-Modell ab. Mit etwa 800 Euro müsse man rechnen. Die Hubschrauberflüge werden ermöglicht durch eine Zusammenarbeit mit dem in Winningen (Kreis Mayen-Koblenz) ansässigen Hubschrauberunternehmen "Rotorflug". Es hat die in Europa neu- und bisher einzigartige Methode entwickelt. "Die Sicherheit steht an erster Stelle", betont Karl Mannheim, Geschäftsführer und Berufspilot. Eineinhalb Jahre habe man auf die Genehmigung der Arbeitsplattform warten müssen. Mit dem Segen des Luftfahrtbundesamts können die Monteure nun "in die Luft gehen". Aus Sicherheitsgründen wird an diesem Nachmittag eine kleine schadhafte Stelle am Erdseil in der Nähe von Vianden nicht sofort repariert - es steckt eine Kugel darin, möglicherweise hat ein Jäger die Leitung angeschossen. "Der Wind ist zu stark", ruft der Pilot, als der Monteur sich schon auf die Plattform gesetzt hat, der Hubschrauber aber nicht ruhig zu halten ist. "Wir kommen lieber heute Abend wieder", verabreden die Piloten beider Hubschrauber. Viel haben sie noch vor sich: An diesem Tag sind es zehn schadhafte Stellen, in den kommenden Tagen geht es unter anderem an den Niederrhein und nach Osnabrück. "Am schönsten wird es aber so in zwei Wochen sein", schwärmt Pilot Mannheim mit einem Blick auf die Viandener Burg und die sanften Hügel. "Dann leuchten die Bäume in allen Farben."

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