Rauchzeichen an die Politik: Gewerkschaft, Betriebsräte und Leitung von JTI und Landewyck stemmen sich gegen härtere Regulierung der Branche

Trier · Seit knapp 150 Jahren wird in Trier Tabak verarbeitet. Damit das auch noch lange so bleibt, sollen alle Verantwortlichen einen Dialog zu einem Zukunftskonzept anschieben. Die Gewerkschaft Nahrungsmittel-Genuss-Gaststätten (NGG) hat mit den regionalen Tabakherstellern Japan Tobacco International (JTI) sowie Heintz van Landewyck und deren Betriebsräten den Anfang gemacht.

Trier. Die Tabakindustrie in Trier hat Tradition. Als Heinrich Neuerburg vor knapp 150 Jahren an der Mosel die erste Zigarettenfabrik gründete, war Rauchen noch in, wuchs die Zahl der Konsumenten und Mitarbeiter. Heute ist der Tabakkonsum rückläufig, nur noch jeder dritte Erwachsene raucht. Rund 2500 Menschen sind aktuell bei den Tabakunternehmen Japan Tobacco International (JTI) und Heintz van Landewyck sowie ihren Zulieferern beschäftigt. Ein Hauptteil der Produktion geht in den Export. Allein im Trierer JTI-Forschungszentrum arbeiten rund 600 hochspezialisierte Entwickler aus 40 Ländern.

Beschäftigte und Unternehmen gleichermaßen sehen nun ihre Arbeit in Gefahr, wollen ein Zukunftskonzept für den Tabakstandort Trier mit Politik und Sozialpartnern erarbeiten. "Wir sehen durch die aktuelle Lage das Vertrauen in den Standort Deutschland gefährdet und damit auch die Produktion in Trier", sagt Peter Dunkel, Referatsleiter Industriepolitik bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Denn mit der Umsetzung der EU-Tabakproduktrichtlinie im Mai 2016 will die Bundesregierung die Regelungen nochmals verschärfen .

Die Unternehmen sehen eine Wettbewerbsverzerrung und fordern Rechtssicherheit auf Basis des EU-Abschlusses.
Die Furcht vor Einschränkungen scheint nicht unbegründet, wenn die Prognosen von Hans-Jürgen Fischer, Geschäftsführer des Tabakunternehmens Heintz van Landewyck in Trier mit 300 Beschäftigten (siehe Extra), eintreffen. Er rechnet allein für das Vorziehen eines Mentholzigarettenverbots mit Umsatzeinbußen von 120 Millionen Euro und Umrüstungskosten auf andere Päckchengrößen von zehn Millionen Euro. "Die Ertragskraft der Unternehmen wird geschwächt. So sind Stellen gefährdet", sagt er. Und weil ohne Rechtssicherheit die Zeit bis Mai 2016 dränge, könne es auch zu Produktionsausfällen und Lieferengpässen kommen.

Er unterstützt wie Jürgen Rademacher, Geschäftsführer von JTI Trier und Chef über 1800 Mitarbeiter, die Initiative der NGG und der Betriebsräte zur Standortsicherung: "Wir sind mehrfach als bundesweit bester Arbeitgeber ausgezeichnet worden. Aber die Politik muss dafür sorgen, dass die Unternehmen in Deutschland eine Zukunft haben", sagt Rademacher. Rund 90 Prozent der jährlich 50 Milliarden in Trier produzierten JTI-Zigaretten gehen in den Export, der Marktanteil in Deutschland liegt bei sechs Prozent. Gesamtbetriebsrat Gerd Willems hat Angst: "Wir befürchten eine Verlagerung der Produktion ins Ausland, etwa nach Polen."

"Unsere Kollegen machen sich Sorgen um ihre Arbeitsplätze", bestätigt Klaus Schu, NGG-Geschäftsführer in der Region Trier. Er fordert im Rahmen des Zukunftskonzeptes für die Beschäftigten einen Generationenvertrag, der junge Leute unbefristet einstellt und die Verkürzung der Arbeitszeit bei Älteren vorsieht. 650 Beschäftigte von JTI haben dem in einer Befragung zugestimmt.

Positive Signale kommen derweil aus der Politik. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hat sich bei einem Besuch des Trierer JTI-Werks optimistisch dazu geäußert, dass die EU-Tabakrichtlinie ohne nationale Verschärfung umgesetzt wird. "Es geht um die Frage, inwieweit man ansässige Unternehmen im Vergleich zum europäischen Wettbewerb benachteiligt. Dafür gibt es kein Argument", sagt sie.Extra

Der Tabakproduzent Heintz van Landewyck mit Zentrale in Luxemburg und Standort in Trier plant im Großherzogtum den Neubau einer Zigarettenfabrik. 60 Millionen Euro will das Unternehmen in Diekirch investieren. Die Standorte Hollerich und Ettelbrück sollen bis 2020 nach und nach aufgegeben werden, heißt es. Das Produktionsvolumen will Landewyck gleichhalten, bei weniger Personal. So soll die Produktivität steigen. Entlassungen soll es aber nicht geben. sasExtra

Die 28 Mitglieder der Europäischen Union haben sich auf eine neue Tabakproduktrichtlinie (TPR) verständigt, die im Mai 2016 einheitlich in den Nationalstaaten umgesetzt sein soll. Wo heute große Schriftzüge und Logos prangen, sollen dann Schockbilder und Hinweise vor dem Rauchen warnen. Mindestens zwei Drittel der Packungsfläche müssen mit Warnungen in Bild und Schrift bedeckt sein. Zudem verbietet die TPR Aromen wie Vanille oder Schokolade, allein für Mentholzigaretten lässt sie eine Schonfrist bis 2020. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) geht dies nicht weit genug. Er will mit einer weiteren Verschärfung ein komplettes Werbeverbot, eine Einbeziehung von Zigarren- und Pfeifentabak und das vorzeitige Aus von Mentholzigaretten schon im Mai 2016 erreichen. Schaut man sich den Zigarettenkonsum über die Jahre hinweg an, so wurden im Jahr 2013 mit 80,3 Milliarden knapp 40 Prozent weniger Zigeretten geraucht als noch zehn Jahre zuvor. Die Einnahmen des Staates haben darunter allerdings nicht gelitten. Im Gegenteil: Mit 14,3 Milliarden Euro sind die Einnahmen aus der Tabaksteuer im gleichen Zeitraum leicht gestiegen. Hintergrund: In 13 Jahren hat die Bundesregierung die Tabaksteuer zehn Mal erhöht. Die Mehreinnahmen flossen in Posten wie die Terrorbekämpfung, das Mutterschaftsgeld oder die Konsolidierung des Staatshaushalts. sas

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