Schlechte Zeiten für Träumer

TRIER. Führungswechsel in einer schwierigen Zeit: Beim Einzelhandelsverband (EHV) Trier ist Michael Müller zum neuen Vorsitzenden gewählt worden. Der Trierische Volksfreund sprach mit ihm über seine Motivationen undZiele.

 Neuer Chef beim Einzelhandelsverband Trier: Michael Müller.Foto: Rainer Neubert

Neuer Chef beim Einzelhandelsverband Trier: Michael Müller.Foto: Rainer Neubert

Wer in diesen Tagen eine verantwortungsvolle Position beim Einzelhandelsverband übernimmt, muss Realist sein. Angesichts der dramatischen Umsatzverluste der vergangenen Jahre und der politischen Rahmenbedingungen ist für Träume wenig Raum. Ihn als Träumer zu bezeichnen, auf diese Idee kämen auch gute Freunde von Michael Müller nicht. Der 47-jährige Geschäftsführer des Trierer Modehauses Blaue Hand steht mit beiden Beinen im Leben und ist bekannt dafür, auch dann seine Meinung zu vertreten, wenn sie von der allgemeinen abweicht.Nach reiflicher Überlegung und Absprache mit Frau und Tochter habe er sich entschieden, dem Ruf der Delegiertenversammlung zu folgen und die Nachfolge von Rainer E. Meyer anzutreten. "Ich weiß, dass ich nicht alle Probleme bewältigen kann", sagt Müller, "aber vielleicht kann ich zumindest ein wenig die Richtung bestimmen." Für ihn sei der Weg das Ziel.Schwerpunkte will er zwei setzen: "Der Einzelhandel im ländlichen Raum und der Handel in den Innenstädten befinden sich in einer sehr schwierigen Situation." Beide Bereiche sind nicht gerade leicht unter einen Hut zu bringen, stehen sogar in unmittelbarer Konkurrenz, das weiß Müller. Dennoch sieht er, der nach eigenen Worten im Alter von zwölf Jahren erstmals hinter dem Ladentisch stand, eine gemeinsame Ursache für die zunehmenden Insolvenzen im Handel: "Die politischen Rahmenbedingungen forcieren den Kaufkraftabfluss aus den ländlichen Gebieten. Die Änderungen des Ladenschlussgesetzes schwächen aber auch den qualitativ hochwertigen Handel in den Innenstädten."Es werde noch mehr Insolvenzen und Leerstände geben, sagt Müller voraus. Als Ursache dafür sieht er vor allem in den hohen Personalkosten, die bei geringer werdenden Gewinnmargen immer schwerer auf den Unternehmen lasteten. "Wenn auf der grünen Wiese das Personal zwölf Prozent der Betriebskosten ausmacht, bei mittleren und hochwertigen Fachgeschäften in der City aber 20 Prozent und mehr, dann ist das eine klare Benachteiligung. Unser Gegner ist aber nicht die Gewerkschaft, sondern die Politik."Zu viel Regulierung, zum Beispiel durch immer mehr Vorgaben bei Personaleinstellungen, sei ebenso schädlich wie übermäßige Deregulierung, etwa bei den Ladenöffnungszeiten. "Was wir brauchen, ist ein vernünftiges Maß an Regulierung - und schnellstens eine effektive Steuersenkung, die den Verbrauchern wirklich mehr Geld in den Taschen lässt."Aber auch die Kommunen müssen nach Meinung des neuen EHV-Präsidenten ihre Hausaufgaben besser machen. "Die Durchsetzung des Einzelhandelskonzeptes erfolgte in Trier nicht immer zur Zufriedenheit des Verbandes", übt Müller diplomatische Redewendungen, um dann wieder deutlich zu werden: "Nach Trier kommen immer weniger Leute, weil es ihnen zu teuer ist. Parkgebühren und Gebührenstruktur müssen flexibler werden."In den kommenden Wochen will der neue Vorsitzende, der "seit Jahren" der Delegiertenversammlung und seit "vier oder fünf Jahren" dem Vorstand des Einzelhandelsverbands angehört, die Unternehmen in der Region besuchen. An seiner Grundhaltung wird das allerdings nichts ändern: "Wenn die grüne Wiese die Innenstädte und das Oberzentrum die Mittelzentren kaputt macht, dann muss die Politik Schranken setzen." Für Träumer sind es nicht die richtigen Zeiten.

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