Schluss mit Apothekenpreisen?

Trier/Luxemburg · Werden Medikamente in Deutschland bald billiger? Ein gestern gefälltes Urteil des Europäischen Gerichtshof in Luxemburg könnte womöglich dazu führen. Die Richter kippten die Preisbindung für rezeptpflichtige Medikamente für ausländische Versandapotheken.

Trier/Luxemburg. Der Arzt hat dem Patienten ein Rezept ausgestellt. Damit geht dieser zur Apotheke. Zehn Euro soll der Patient für das Medikament zuzahlen. Das ist ihm zu teuer. Er fährt zur nächsten Apotheke. Legt das Rezept vor und bekommt das Medikament ohne Zuzahlung. So könnte es in Zukunft in deutschen Apotheken ablaufen. Dann, wenn das gestern vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) gefällte Urteil in deutsches Recht umgesetzt wird. Die Luxemburger Richter haben entschieden, dass die Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente in deutschen Apotheken den grenzüberschreitenden freien Warenverkehr behindert.
Überall der gleiche Preis


Durch die Preisbindung hat jedes verschreibungspflichtige Medikament in jeder deutschen Apotheke den gleichen Preis. Nach diesem Preis richtet sich die Zuzahlung, die gesetzlich Versicherte zahlen müssen. Sie beträgt zehn Prozent des Preises, jedoch mindestens fünf Euro und maximal zehn Euro pro Mittel. Höher als das, was das jeweilige Medikament kostet, darf die Zuzahlung nicht sein. Die Preise für die Medikamente werden von den Pharmaunternehmen festgelegt. Ist ein Medikament billiger, verringert sich auch die Zuzahlung.
Dem Urteil vorausgegangen war eine Kooperation der Selbsthilfeorganisation Deutsche Parkinson Vereinigung mit der niederländischen Versandapotheke DocMorris. Mitglieder der Organisation haben für bestellte Parkinson-Medikamente von der Apotheke Rabatt auf die Zuzahlungen erhalten. Dagegen hatte die deutsche Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs geklagt. Die Kooperation zwischen der Selbsthilfeorganisation und der Versandapotheke verstoße gegen die Preisbindung für Medikamente in Deutschland, meinten die Wettbewerbshüter. In erster Instanz bekamen sie vom Landgericht Düsseldorf recht. Das Oberlandesgericht schaltete den EuGH ein. Der entschied pro Selbsthilfevereinigung und ausländischer Versandapotheke. Einige dieser Apotheken, bei denen man online bestellen kann, verlangen für rezeptpflichtige Arzneien keine Zuzahlungen.
Das Urteil sei "ein deutlicher Rückschritt für den Patienten, der womöglich bald im Krankheitsfall nach dem niedrigsten Preis für sein verschriebenes Arzneimittel suchen muss", sagt Theo Hasse, Apotheker in Zerf (Trier-Saarburg) und Vorsitzender des Landesapothekenverbandes. Zwar habe der Luxemburger Richterspruch keine Auswirkungen auf die deutschen Apotheken, weil er sich nur mit dem Fall der niederländischen Versandapotheke DocMorris beschäftigt habe. Aber der politische Druck werde steigen, die Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente aufzugeben, glaubt Hasse. Der Gesetzgeber müsse dafür sorgen, dass die "verlässliche deutsche Arzneimittelversorgung nicht einem Wildwuchs von Dumping, Boni- und Rabattschlachten zum Opfer fällt." Er fordert ein generelles Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel.
Laut Bundesgesundheitsministerium soll die Preisbindung verhindern, dass Medikamente zu teuer werden und dass damit die Krankenkassenbeiträge weiter steigen müssen. Nach dem Urteil sei die Regelung aber nicht mehr auf Versandapotheken im Ausland anwendbar. Weitere Konsequenzen würden nun geprüft. Verbraucherschützer bewerten das Luxemburger Urteil positiv. "Patienten könnten bei verschreibungspflichtigen Medikamenten künftig Kosten sparen, wenn sie bei ausländischen Versandapotheken bestellen", sagt der Gesundheitsexperte des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Kai Vogel. Die Krankenkassen taten sich gestern schwer mit einer Einschätzung, was das Urteil letztlich für die Versicherten bedeutet. Von ihnen war keine Stellungnahme zu erhalten.

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