Schumi, Berti und die Kunst des Schiffbaus

BITBURG. "Deutsche Chefs leben gefährlich." Mit diesem Artikel aus der FAZ unter dem Arm kommt Michael Dietzsch, Vorsitzender der Geschäftsführung der Bitburger Getränkegruppe, zum Interview. Nach 32 Jahren an der Spitze der größten deutschen Privatbrauerei gibt der 64-Jährige Ende des Monats die Führung ab. Ein Urgestein der deutschen Brauwirtschaft geht, doch von Ruhestand kann bei Dietzsch keine Rede sein.

Der Aufstieg der Marke "Bitburger" und der Name Michael Dietzsch gehören untrennbar zusammen. Als Dietzsch 1971 von Henkel in Düsseldorf zu der Brauerei in der Eifel wechselt, brauen die Bitburger 800 000 Hektoliter. 2003 setzte das Unternehmen rund 4,3 Millionen Hektoliter ab.Von der "Mono-Marke" zum Verbund

Der Wechsel vom Waschmittel zum Bier macht dem damals 31-Jährigen großen Spaß. "Beides schäumt zwar, doch Bier ist das viel interessantere Produkt", sagt der gebürtige Kölner. Vor allem sei Bier ein Produkt, "das Kommunikation braucht und fördert". Eine Aufgabe, die dem promovierten Diplom-Volkswirt auf den Leib geschrieben zu sein scheint. Kaum in der Eifel, macht sich Dietzsch daran, die "Mono-Marke" Bitburger zu pushen. "Eine Marke muss der Verbraucher am Zapfhahn erleben", verrät Dietzsch sein Rezept. "Das Erlebnis Bitburger" können Konsumenten heute in weltweit über 48 000 Gastronomiebetrieben erfahren. Damit ist "Bit" in Deutschland (37 000 Gastro-Betriebe) die absolute Nummer eins. Im zweiten Schritt forciert der Bit-Geschäftsführer den Auftritt der Marke im Lebensmittelhandel. Die Strategie zahlt sich aus. Die Marke Bitburger entwickelt sich prächtig. Großen Anteil an den positiven Ausstoßzahlen hat der Marketing-Stratege Michael Dietzsch. 1994/95 fährt Formel-1-Pilot Michael Schumacher mit dem Bitburger-Emblem zu seinen beiden ersten Weltmeistertiteln. "Wir haben gezittert, ob sich das Engagement auszahlt", gesteht Michael Dietzsch, der danach den Vertrag mit der Deutschen Fußball-National-Mannschaft einfädelt. Der Wechsel von Schumi zu "Bundes-Berti" und seinen Jungs, die 1996 Europameister werden, bringt Bitburger ebenfalls Sympathie und Zuwachsraten. Doch alle Erfolge schreibt der Bit-Stratege auch seiner Mannschaft zu. "So etwas ist nur mit einem guten Team zu erreichen. Wichtig war mir immer der faire und stilvolle Umgang mit den Mitarbeitern", sagt Dietzsch, denn nur mit motivierten und engagierten Mitarbeitern könne man große Ziele verwirklichen. "Und wenn wir ein gutes Ergebnis erreicht haben, dann haben wir natürlich auch gemeinsam mit ein paar Gläsern Bitburger gefeiert. Das ist das Schöne an unserem Produkt." In Sachen Mitarbeitermotivation hält es Dietzsch ganz mit dem französischen Schriftsteller Saint-Exupéry: "Willst du, dass deine Leute Schiffe bauen, darfst du sie nicht lehren, Holz zu spalten; Du musst sie lehren, von der Unendlichkeit der Meere zu träumen." Motivation, Teamgeist, Zielstrebigkeit - für Dietzsch hat ein erfolgreiches Unternehmen viele Gemeinsamkeiten mit Mannschaftssport oder auch dem Militär. Uneingeschränktes Ziel bei allem Handeln sei die Stärke der Marke Bitburger. In den 90ern muss das Unternehmen erkennen, dass man als "Mono-Marke" nicht langfristig auf dem deutschen Biermarkt bestehen kann. Nun ist nicht der Stratege Dietzsch gefragt, sondern der Visionär. Bitburger entwickelt sich fortan zu einem Verbund starker Marken: Nachdem 1980 die Brauerei Mehrheitseigner beim Gerolsteiner Brunnen wird, kommen 1991 die Köstritzer Schwarzbierbrauerei, 2002 die Wernesgrüner Pilslegende und beim jüngsten Coup König Pilsener und Licher in der Verbund der "starken Marken". Seit 1998 wird die Strategie der Gruppe von der Bitburger Getränke Verwaltungsgesellschaft bestimmt, an deren Spitze seit 1999 Michael Dietzsch steht. Als leidenschaftlicher Skipper weiß Dietzsch vor allem auch, wenn es Zeit ist, das Unternehmen auf neuen Kurs zu bringen. So wird das polnische Engagement - der Einstieg bei den Brauereien Bosman und Sierpc - 2001 beendet, nachdem die Bitburger feststellen, dass die internationalen Großbrauereien den Markt in Polen beherrschen. "Wir haben unsere Brauereien an die dänische Carlsberg Breweries verkauft und dabei keinen Zloty verloren." Im Gegenteil, die Kontakte, die man bei dem Deal zu Carlsberg aufbaut, führen später dazu, dass sich die Bitburger-Gruppe mit den Dänen zu Übernahme der Holsten-Gruppe verabredet. "Der Kauf von König und Licher für fast 500 Millionen Euro ist das größte Engagement in der Geschichte der Bitburger." Dennoch sei die Entscheidung für den Kauf bei den Anteilseignern des Familienunternehmens innerhalb von drei Wochen über die Bühne gewesen. Für seine Nachfolger sei das ein große Herausforderung. "Ich gehe mit einem lachenden Auge, weil wir mit dem Kauf der beiden Marken König Pilsener und Licher eine hervorragende Ausgangslage haben, um langfristig vor den Attacken der ausländischen Großbrauereien bestehen zu können. Meine Nachfolger können sich an dieser Baustelle beweisen."Ein Genießer auf Welttour

Dietzsch geht aber auch mit einem weinenden Auge: Den ständigen Kontakt zu seinem Team zu verlieren und nicht mehr an jeder Entscheidung teilhaben zu können, das werde ihm fehlen, sagt er. Doch wenn der "Marketing-Mensch" Dietzsch die Spitze des Unternehmens räumt, dann heißt das für ihn noch lange kein Ruhestand. Als Mitglied des Verwaltungsrates der Getränkegruppe und als Vorsitzender des Beirats des Gerolsteiner Brunnens wird er weiter mit aufmerksamen Augen die Entwicklung der Firmengruppe verfolgen. Und auch seine ehrenamtlichen Tätigkeiten in den nationalen und internationalen Brauereiverbänden, bei Hochschulen und als Vorsitzender der Dr.-Hanns-Simon-Stiftung oder des Host Nation Council, der sich der deutsch-amerikanischen Freundschaft verschrieben hat, werden kaum Langeweile dulden. Doch zuerst einmal wird Michael Dietzsch, der passionierte Jäger und Kunstsammler, der Fischer und Golf-Spieler, der Skipper und Naturfreund mit seiner Frau auf große Weltreise gehen. Im Gepäck ein Bit, um überall als Genießer den Tag ausklingen zu lassen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort