So verändert die Energiewende die Region

Trier · Der erste Volksfreund- Energiegipfel zeigte: Die Stadtwerke Trier, der Energieversorger Innogy, die Innogy-Tochter Westnetz sowie die Handwerkskammer Trier arbeiten mit Hochdruck daran, dass unser Leben energiegeladen bleibt.

 Arndt Müller.

Arndt Müller.

Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)
 Olaf Hornfeck.

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 Axel Bettendorf.

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 Manfred Klasen.

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 Jürgen Stoffel.

Jürgen Stoffel.

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Trier Sie sind die größten Energieversorger in der Region Trier und stehen stellvertretend für Tausende, die die neue Welt von Digitalisierung, Breitbandausbau und Stromerzeugung für den Eigenbedarf aufbauen. Im Gespräch mit dem TV gewährten SWT, Innogy, Westnetz und Handwerkskammer Einblick hinter die Kulissen.

Wie werden sich die Strompreise im kommenden Jahr entwickeln?
Manfred Klasen: Ich bin mir sicher, dass der Strompreis über den Jahreswechsel 2017/18 stabil bleiben wird. Die Bekanntgabe der EEG-Umlagenhöhe (Erneuerbare Energien-Gesetz) ist Mitte Oktober durch die vier Übertragungsnetzbetreiber erfolgt. Die EEG-Umlage wird demnach leicht sinken. Eine seriöse Planung über die exakte Höhe des Strompreises für das ganze Jahr 2018 für Haushalts-und Gewerbekunden ist jedoch erst nach Feststehen aller Kostenveränderungen möglich.
Olaf Hornfeck: Es gibt die unterschiedlichsten Preisbestandteile beim Strom. Die einen Teile sinken, andere steigen. Ich glaube nicht, dass es insgesamt zu nennenswerten Änderungen kommen wird.

Müsste der Gesetzgeber für mehr Entlastung sorgen?
Hornfeck: Der Gesetzgeber versucht derzeit, neue Entgeltsysteme zu entwickeln. Denn man will die Strombelastung für die Bürger senken. Das bedeutet aber, dass man einzelne Preisbestandteile anders finanzieren muss, etwa durch Steuern. In der Vergangenheit dienten Sektsteuer oder Solidaritätszuschlag auch dazu, etwas anderes zu finanzieren. Der Gewinner war dabei der Staat. In Energiefragen muss der Staat nun Farbe bekennen.
Klasen: Meines Erachtens wartet der Bürger nicht, bis die Politik reagiert, sondern er ergreift die Gelegenheit und investiert etwa in Photovoltaik (PV) und minimiert somit den Verbrauch und letztlich die Energiekosten. Das ist für uns als Versorger spürbar. So versuchen wir den Kunden gemeinsam mit dem Handwerk zu sensibilisieren, dass die Photovoltaik weiterhin bei Eigenverbrauchsnutzung wirtschaftlich höchst attraktiv ist. Das Thema Energiesparen und E-Mobilität wird künftig noch eine große Rolle spielen, weil der Verbraucher das Thema selbst in die Hand nehmen kann. Ein Nachteil ist allerdings, dass bisher Mieter kaum davon profitieren werden.

Ist der Energieverbrauch hoch, profitieren Sie, ist er niedrig, nicht. Was tun Sie, um die Schere zwischen Kostensenkung und Energiesparen in den Griff zu bekommen?
Arndt Müller: Wir müssen von unserem jetzigen Geschäftsmodell weg, denn unsere Kunden und Verbraucher werden zunehmend auch Stromproduzenten, sogenannte Prosumer. Wir müssen uns überlegen, wie wir unsere Infrastruktur dem neuen Kundenverhalten anpassen.
Hornfeck: Der Stromverbrauch des Kunden sinkt ja nicht, nur das, was er bei uns aus dem Netz zieht. Und er produziert Strom selbst. Deshalb liefern wir ja auch PV-Anlagen für Einfamilienhäuser und Mittelständler.
Klasen: Wir müssen mehr vom Kunden her denken. Er wird künftig in mehreren Themen zu uns Kontakt haben, nicht mehr nur bei den klassischen Themen Strom oder Erdgas, sondern auch bei schnellem Internet und Fragen rund um den Bereich E-Mobilität. Und der Kunde bestimmt, was er möchte.
Axel Bettendorf: Das ist wie im KFZ-Bereich: Wer heute darüber nachdenkt, möchte ja kein Auto mehr, sondern Mobilität, um von A nach B zu kommen.
Es lohnt sich also, selbst in kleine Kraftwerke zu investieren. Wie ist denn derzeit die Nachfrage?
Jürgen Stoffel: In den Landkreisen Trier-Saarburg, Bitburg-Prüm und Bernkastel-Wittlich gibt es 14 000 regenerative Einspeiser. An jedem zehnten Stromanschluss hängt auch ein Einspeiser. Das sind überwiegend PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 1300 Megawatt. Dies entspricht in etwa der Leistung eines Kernkraftblocks in Cattenom. In diesem Jahr sind etwa fünf Prozent in Form von 400 Anlagen hinzugekommen. In den Jahren 2010/2011 waren es jeweils mehr als 2000 PV-Anlagen pro Jahr. Man sieht, das Ganze flaut ab. Geplante Windkraftprojekte gibt es sehr viele für die Region, realisiert wird aber weniger.
Ich finde also schneller einen Handwerker, der eine PV-Anlage aufbaut?
Bettendorf: Es gab Betriebe, die sich in den Boomjahren allein auf PV konzentriert haben, teilweise sind diese heute insolvent. Aber es gab auch Betriebe, die PV als ein Standbein von vielen betrachtet haben - und nun noch existieren. Der große Boom ist im Gewerbe eher vorbei.

Stoffel: Wenn die Stromspeicher für die Privathaushalte ihre Wirtschaftlichkeitsgrenze erreichen und zu angemessenen Preisen Strom speichern können, könnte es nochmals einen Boom geben.
Von welchen Summen für Privatleute sprechen wir denn hier?
Klasen: Wer 2000 bis 3000 Kilowattstunden Strom mit PV erzeugen will, muss mit etwa 4500 Euro Kosten für ein Rundumgarantiepaket rechnen. Wenn er die Eigenerzeugungsanlage zudem kombinieren möchte mit einem Stromspeicher, kann er bei Nutzung von öffentlichen Fördermitteln mit Kosten im Optimalfall von unter 10 000 Euro rechnen.
Müller: Ich glaube nicht, dass die Politik eine Stromspeichertechnik fördern wird. Sondern wir hängen von der Strompreisentwicklung ab. Wenn Stromspeicher erschwinglich werden, wächst die Eigenproduktion. Wir als Energieversorger müssen dann aber Netze vorhalten, über die immer weniger Energie läuft und die stark fixkostenbezogen sind. Das gilt vor allem für diejenigen, die sich eine solche Investition nicht leisten können. Wir als Netzbetreiber und Energieversorger müssen dafür sorgen, dass diese Kosten austariert sind.
Thema E-Mobilität: Die Politik will mehr Elektro-Autos. Was wäre, wenn fünf Millionen E-Autos plötzlich auf der Straße wären?
Stoffel: Wir haben bei den Ladezeiten die klassischen Verbrauchsspitzen morgens und abends. Ohne eine Regelung dieses Systems würden wir Probleme mit den Netzen bekommen. Wenn sich die E-Auto-Nutzung langsam steigert, können wir das auch im Netz verarbeiten. Auch Trierer Kollegen arbeiten an der Installation von Prototypen von Ladestationen, die ein Fahrzeug innerhalb von zehn Minuten laden.
Man könnte ja auch mit selbst hergestellter Energie und einem Stromspeicher das Auto speisen.
Stoffel: Für solche cleveren Netze gibt es schöne Beispiele in der Region. In Wincheringen (Kreis Trier-Saarburg) gibt es den Smart Operator. Dort testen wir, wie PV-Anlagen, Batteriespeicher und Ladesäulen über einen intelligenten Rechner optimal zusammenspielen. Denn wir wollen einen unwirtschaftlichen Netzausbau vermeiden und stattdessen Messdaten erfassen, um zu verstehen, wie verschiedene Stromnutzungen reagieren. Das nächste Pilotprojekt startet dazu in Idesheim (Eifelkreis Bitburg-Prüm).
Sind diese Pilotprojekte was für die Fläche und viele Verbraucher?
Stoffel: Noch kommen die Stromnetze überwiegend ohne diese Intelligenz aus. Aber auch überregional lernen wir seit fünf Jahren aus unserem Pilotprojekt Smart Country in Bleialf (Eifelkreis Bitburg-Prüm), was wir für den praktischen Betrieb brauchen. Daten und Infrastruktur müssen stärker miteinander vernetzt werden. Deshalb nutzen wir jede Baumaßnahme dazu, Leerrohre mit zu verlegen, das kommt uns jetzt beim Breitbandausbau zugute. Inzwischen haben wir 100 Gemeinden in der Region mit schnellem Internet versorgt.
Wie lange dauert es, bis der Breitbandausbau beendet ist? Die Politik hat das für Ende 2018 versprochen.
Müller: Das dauert gar nicht so lange. Die Stadtwerke Trier (SWT) haben 60 Kilometer Breitband in der Stadt Trier verlegt. Die Frage ist, wann das Ganze sinnvoll ist. Und dazu brauchen wir Daten. Vom Abwasser bis zur Straßenbeleuchtung können wir Strom sinnvoller einsetzen. In der Hauptkläranlage Trier etwa haben wir eine Breitband anbindung aller Verbraucher und Erzeuger. Das hat jährlich 650 000 Euro Strom gekostet. Momentan sind es noch 40 000 Euro, weil wir ein selbstlernendes Computersystem darüber gelegt haben. So können wir alle unsere Betriebsteile so ausregeln, dass erst der Stromüberschuss aus eigener Produktion verwertet wird, ehe wir Strom aus dem Netz beziehen. So können wir noch sehr lange mit der jetzigen Infrastruktur auskommen und müssen nicht blind investieren.
Klasen: Beispielsweise sieht man bei innovativen Fertighausfirmen, wie die eine intelligente Haussteuerung, die Nutzung von Waschmaschine, Spülmasche, Trockner, eine intelligente Lichtsteuerung und optionale Sicherheitsanwendungen im Gebäude vernetzen. Das wird nicht für jeden Kunden etwas sein, aber wir als Energieversorger müssen darauf Antworten geben - als Teil der Lösung.
Hier sitzen Entwickler und diejenigen am Tisch, die die neuen Produkte einbauen. Wie sieht die Entwicklung im Handwerk aus?
Bettendorf: Früher war die Welt einfach, man hatte eine elektrische Verdrahtung im Haushalt und die Heizung im Keller. Wir als Handwerkskammer müssen die Betriebe nun darauf vorbereiten, dass die neue Welt umsetzbar wird. Das verschafft uns neue Geschäftsfelder. So muss sich der klassische SHK-Betrieb auch mit der elektronischen Regelung der Heizung auskennen und eine Wärmepume installieren. Es gibt einen Wandel der Gewerke, sie verschmelzen immer mehr miteinander. Bei den KFZ-Betrieben fallen komplette Serviceanteile durch die E-Mobilität weg. Es wird keine Ölwechsel oder Motorreparaturen mehr geben, sondern höchstens noch einen Reifenwechsel. Wir müssen auch aufpassen, dass der Energieversorger nicht das Geschäftsfeld des Handwerks vereinnahmt und der Handwerker nur noch der Schrauber wird.

Wir haben viel über Neubau gesprochen. Was machen wir denn mit all unseren Altbauten?
Bettendorf: Die von der Politik ausgegebene Sanierungsquote von jährlich einem Prozent der Häuser ist utopisch aus meiner Sicht, weil uns die Leute fehlen, die das umsetzen. Selbst wenn es dazu eine Förderung gäbe und die Kunden das wollten, könnte das Handwerk das derzeit nicht erfüllen.

Müller: Die Frage ist doch, wie bekommen wir künftig die Intelligenz in die Betriebe, um die neue Technik zu entwickeln und zu installieren. Die SWT haben daher mit der Hochschule Trier ein "Denkwerk Energie" gegründet. Wir stellen den Studenten Anlagen zur Verfügung, und diese dürfen dort spielen, probieren und testen. So bekommen wir neue Ideen ins Unternehmen.
Welche Projekte für die Region stehen an? Was wird uns überraschen?
Müller: Für die Eifelpipeline liegt die Plangenehmigung in der Schublade. Wir werden im Frühjahr einen ersten Trassenabschnitt roden und am Ende des ersten Quartals 2018 in den Bau einsteigen. Wir werden die Trinkwasserleitungen bauen, die Erdgasleitungen legen, und werden vom Investor des Breitbandausbaus einen Teil der Glasfasern einbehalten, um so die smarte Welt in eigenen Leitungen umsetzen zu können. Auch beim Aufbau der Biogastrasse steht die Finanzierung. Wir haben derzeit Verträge mit sieben landwirtschaftlichen Betrieben abgeschlossen. In der Region stehen 50 dezentrale Biogasanlagen mit über 16 Megawatt Leistung zur Verfügung, um diese sinnvoll in die Infrastruktur der Region einzubinden. Wir kaufen dazu das Biogas ab, stellen die Blockheizkraftwerke vor Ort auf Standby und schalten diese künftig zum richtigen Zeitpunkt an, nämlich wenn dies wegen teurerer Regelenergieerzeugung attraktiv ist. So arbeiten wir wirtschaftlich und regenerativ.
Hornfeck: Privat- und Gewerbekunden bieten wir gemeinsam mit dem Handwerk den Austausch von Heizungen und den Aufbau von PV-Anlagen an, außerdem den Beleuchtungsaustausch in Betrieben, eine intelligente Haussteuerung und Sicherheitstechnik. In allen Trierer Parkhäusern und im öffentlichen Raum werden wir Ladestationen für E-Autos und E-Bikes schaffen.

Und was ist mit den Stadtbussen?
Hornfeck: Im ersten Halbjahr 2018 werden die ersten drei E-Busse geliefert. Und bis Ende 2017 haben alle Stadtbusse W-Lan.
Müller: Wir werden das W-Lan über die ganze Stadt ausbauen, so dass sich die Busse das W-Lan künftig aus den Accesspoints der neuen Straßenbeleuchtung ziehen können. Außerdem testen wir, wie wir über ein verschlüsseltes W-Lan Stände von Strom-, Gas-, Wasser- und Wärmezählern übertragen können, um so unsere Wertschöpfungskette zu nutzen.
Stoffel: Allein in unserem Unternehmen tauschen wir in den kommenden Jahren mehr als 1000 Fahrzeuge in Elektro- oder Hybrid-Fahrzeuge ein. Was uns aber am meisten beschäftigen wird, ist die Digitalisierung. So werden wir in der Region in den kommenden anderthalb Jahren mit über 700 Kilometern drei Mal mehr Breitbandnetze verlegen als Stromnetze. Und aus der Förderung eines Bundesprojektes von 2500 Ladepunkten gehen 45 in die drei Landkreise Trier-Saarburg, Bitburg-Prüm und Bernkastel-Wittlich. Neben unseren Pilotprojekten von Smart Country und Smart Operator wollen wir in der Region für den Bürger im Rahmen des Projektes "Designetz" sichtbar eine Straße der Energie gestalten, auf der er live sehen kann, wie die Projekte in Bleialf oder Wincheringen funktionieren.
Klasen: In Bitburg haben wir beim Projekt "E-Car-Sharing" 13 Kunden, und es gibt Anfragen aus sieben weiteren Verbandsgemeinden. Beim regionalen Eifelstrom haben wir bislang 17 000 Kunden erreicht. Wir wollen aber auch Menschen in Eigentum und Mietwohnungen mit neuen und innovativen Energielösungen erreichen und sie im Haushalt und Gewerbe an die moderne LED-Technik heranführen. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass wir historisch aus der persönlichen Energieberatung kommen.
Müller: Unser Ziel muss es sein, sich im Sinne der Region zu ergänzen und auch voneinander zu lernen.

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