"Steigende Zahl nicht ausbildungsfähig"

BERLIN. Dieter Philipp, Präsident des Zentralverbandes des deutschen Handwerks (ZdH), warnt trotz des sich abzeichnenden Lehrstellenmangels vor Panikmache.

Wie hat sich die Pleitewelle im Mittelstand auf die Ausbildungssituation im Handwerk ausgewirkt? Philipp: Wir erwarten wie im vergangenen Jahr einen Rückgang bei der Zahl der neu abgeschlossenen Lehrverträge. Wichtig ist uns jedoch, dass trotz Wirtschaftskrise die Ausbildungsquote im Handwerk hoch bleibt. Weiterhin ist mehr als jeder zehnte unserer Mitarbeiter ein Lehrling. Wie viele Lehrstellen werden in diesem Jahr fehlen? Steuern wir auf eine Ausbildungs-Katastrophe zu? Philipp: Das kann zur Zeit noch gar nicht gesagt werden. Panikmache ist jedoch nicht angebracht. Die Wirtschaft ist gewillt, ein ausreichendes Angebot an Ausbildungsplätzen sicher zu stellen. Wir rufen seit langem alle Betriebe auf, zusätzliche Lehrstellen einzurichten. Ausbildungsplatz-Entwickler sind in einigen Kammerbezirken bereits sehr erfolgreich. Die Schüler müssen im übrigen das Ihre tun, um die Chancen auf eine Lehrstelle zu verbessern. Seit Jahren bleiben viele Lehrstellen frei, weil die Schulabgänger in steigender Zahl nicht mehr ausbildungsfähig sind. Ganz praktisch was würden Sie einem Schulabgänger raten, der Mitte des Jahres eine Lehre beginnen will? Philipp: Nutzen Sie die Schnupperangebote der Handwerkskammern vor Ort. Besuchen Sie die Betriebe. Sprechen Sie mit den Meistern. Informieren Sie sich über die Vielfalt der Berufe im Handwerk. Nutzen Sie dazu auch die Lehrstellenbörsen im Internet. Dort finden sich selbst "fünf vor 12" noch freie Lehrstellen. Grundsätzlich gilt: Karriere-Chancen gibt es in allen handwerklichen Berufen. Ausbildung ist das eine, die anschließende Übernahme durch den Betrieb das andere. Philipp: Das Handwerk hat in den vergangenen zwei Jahren durch die Rezession am Binnenmarkt eine halbe Million Mitarbeiter verloren. Die Wirtschaft muss rasch wieder auf Wachstumskurs getrimmt werden. Dann haben die im Handwerk ausgebildeten Jugendlichen die besten Job-Chancen. Welche Rolle muss hier das Bündnis für Arbeit spielen? Philipp: Die Rezession auf dem Binnenmarkt ist doch nicht zuletzt durch erhebliche strukturelle Reformdefizite bedingt. Bei den Steuern, in den sozialen Sicherungssystemen, auf dem Arbeitsmarkt, bei der Bürokratiebelastung. Im Bündnis für Arbeit müssen daher ohne Tabus alle Probleme auf den Tisch kommen, die Wachstum und Beschäftigung verhindern und damit auch Ausbildung. Wirtschaftsminister Clement hat die Reform des Arbeitsrechtes im Visier also auch die Handwerksordnung. Stimmen Sie dem zu? Philipp: Selbstverständlich. Wir im Handwerk haben doch das größte Interesse an einer Modernisierung der Handwerksordnung. In den vergangenen zehn Jahren haben wir sie bereits drei Mal überarbeitet. Wichtig ist, dass der Meisterbrief als Garant für Qualität und Ausbildung bestehen bleibt. Und in diesem Punkt sind wir uns mit Minister Clement absolut einig. Das Gespräch führte unser Korrespondent Hagen Strauß.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort