Streit-Objekt "Foto-Torte"

PLUWIG. Handwerker und kleine Betriebe müssen innovativ sein, um bestehen zu können. Doch mit neuen Erfindungen und Namen zu werben, zumal im Internet, kann ein bitteres Nachspiel haben. Das Beispiel "Foto-Torte".

Es ist die Idee. Elke und Andreas Bollig sehen die Maschine, die Fotos und Bilder auf Zuckerfolie ausdruckt, auf einer Messe und kaufen ein Exemplar. Es gibt an, damit "Foto-Torten" herstellen zu können. So gehörte Bäckermeister Bollig vor einigen Jahren zu den ersten in der Region Trier, die Abbilder von Gesichtern auf süßes Gebäck zaubern und damit Kunden auch über die nahe Umgebung hinaus gewinnen. Ein Grund auch für ihn und seine Frau, mit der "Foto-Torte" auf der Homepage des Sechs-Mann-Betriebes zu werben. Doch damit beginnt im September 2001 die mehrjährige juristische Irrfahrt des Pluwiger Handwerkers.Unterlassungserklärung und Gerichtsvollzieher

Ein Fax erreicht die Bolligs. Darin verlangt ein Münchner Anwalt im Auftrag eines Konditors aus dem Ruhrgebiet, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen und den Namen "Foto-Torte" nicht mehr zu verwenden. Der Grund: Der Name sei von dem Konditor geschützt. Damit nicht genug. Als Entschädigung solle der Bäcker rund 1000 Euro zahlen. Den Bolligs kommt das Ganze nicht koscher vor. "Wir waren uns keiner Schuld bewusst. Schließlich hatten wir das Gerät unter diesem Namen gekauft - wie andere Handwerker auch", sagt Andreas Bollig. Zudem sei dem Konditor aus dem Ruhrgebiet durch die Torten aus Pluwig kein Schaden entstanden. Deshalb hält Bollig dagegen und schaltet einen Anwalt ein. Andere Kollegen scheinen auf die Masche hereinzufallen, zahlen und stellen ihre Werbung ein. Registrieren die Bolligs anfangs noch etwas 170 Internet-Einträge mit dem Namen "Foto-Torte", so verschwinden bald alle Seiten. Doch wenige Zeit später steht der Gerichtsvollzieher in der Pluwiger Bäckerei. Eine Einstweilige Verfügung sieht vor, weder mit dem Namen "Foto-Torte" werben, noch das Wort überhaupt benutzen zu dürfen. Ein Verstoß dagegen könnte den Klein-Betrieb 250 000 Euro Strafe kosten. "Wir haben Kunden abgeschmettert und Bestellungen abgesagt", blickt Elke Bollig zurück. Nach dem Einspruch gegen die Einstweilige Verfügung landet das Streit-Objekt "Foto-Torte" vor dem Landgericht Koblenz - mit positivem Ausgang für die Bolligs. In Pluwig dürfen also wieder "Foto-Torten" hergestellt werden, sie müssen aber unter neuem Namen verkauft werden. Doch der Konditor aus dem Ruhrgebiet gibt nicht auf - bis der Fall beim Oberlandesgericht (OLG) Koblenz landet. Hier weisen die Richter sogar zwei Anträge zurück, weil unter anderem sachliche Gründe gegen eine Fortsetzung des Rechtsstreits sprechen. Letztlich soll das Hauptsache-Verfahren vor dem OLG den Fall endlich klären. Immerhin haben sich bei den Bolligs über anderthalb Jahre Prozesskosten von rund 6500 Euro angehäuft. Der Streitwert beträgt rund 35 000 Euro. Im schlimmsten Fall müsste der kleine Betrieb Mitarbeiter entlassen und wäre über Jahre hinweg verschuldet. "Es blieb immer unklar, wer gewinnt", sagt der 46-jährige Bäckermeister. Elke Bollig bekommt kalte Füße, ihr Mann Andreas bleibt hart - mit Erfolg. Noch vor der Verhandlung zieht der "gegnerische" Konditor seine Klage zurück. "Ich fühlte mich auch in meiner Ehre verletzt, ich hatte das Gerät ordnungsgemäß erstanden. Anderenfalls hätte ich auch dafür gerade gestanden", sagt Andreas Bollig. Er warnt seine Kollegen: "Eigentlich muss man sich mit jeder Erfindung und jedem Namen beim Markenregister erkundigen. Aber welcher kleine Unternehmer denkt so weit." Besonders bedenklich stimmt Bollig die fehlende Aufklärung vieler Unternehmer. "Für die meisten ist das Internet ein Hobby, um den Betrieb herauszuheben", sagt Elke Bollig. Sonst gebe es wenig Möglichkeiten. Inzwischen ist der Namensschutz für die "Foto-Torte" aufgehoben, er ist zum so genannten Verkehrsbegriff geworden, jeder Bäcker und Konditor darf damit werben. Auch Andreas Bollig hat wieder seine Liebe zur "Foto-Torte" aufgefrischt und stellt sie gern her. Aber er ist auch vorsichtig geworden: "Mit solchen Erfahrungen wird man schnell in seiner Fantasie gebremst."

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