Unnütz, unvermittelbar, unfair

TRIER. Niemand möchte bis zum Umfallen arbeiten, niemand möchte allerdings unnütz erscheinen: Ältere Arbeitnehmer geraten leicht in die Zwickmühle von Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und Rente.

MartinW. ist 55 Jahre alt. Nach 39 Berufsjahren verdient er nun alsFacharbeiter 4560 Euro brutto im Monat. Die Wirtschaftslage istschlecht, auch in W.s Betrieb. Der Chef muss Personal abbauen. Erdenkt an die teuersten Posten, darunter auch W.s Stelle.Alterszeitzeit und Vorruhestand kommen nicht in Frage, weil damitdie Kosten ähnlich hoch blieben. Das Angebot: Martin W. bekommteine fünfstellige Abfindung, wenn er die Firma verlässt. DieFolge: W. wäre um einige tausend Euro reicher, aber arbeitslos. Zugegeben, dies ist ein konstruiertes Beispiel. Und doch gibt es Martin W. - auf Baustellen, an Werkbänken und in Schreibstuben. Auch in der Region Trier. Denn immer mehr Unternehmen bauen Personal ab, bevorzugt Mitarbeiter über 50 Jahre. So waren allein in der Region 23,4 Prozent der 19 510 Arbeitslosen im Februar 50 Jahre und älter. Die Erfahrung des Trierer Arbeitsamtes mit diesen Kunden ist allerdings bitter.

Gesetzgeber stellt die Weichen

"Ältere finden schwer wieder zurück auf den Arbeitsmarkt, obwohl sie eine gute Leistung erbracht haben", stellt Hans Dieter Kaeswurm, Direktor des Trierer Arbeitsamtes, fest. Weil gerade dieser Personenkreis erhöhte Ansprüche habe, strapaziere er die Arbeitslosenversicherung über Gebühr.

Auf dieses Problem hat der Gesetzgeber reagiert. Damit Menschen wie Martin W. in Arbeit bleiben oder kommen, gibt es die Entgeltsicherung: Für über 50-Jährige gibt es einen sicheren Nettolohn, wenn sie eine schlechter bezahlte Beschäftigung aufnehmen. So bekommt der Beschäftigte vom Arbeitsamt einen Zuschuss zum Lohn. Der besteht aus der Hälfte des Unterschiedes von altem und neuem Monatsentgelt. Zudem gibt es einen zusätzlichen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung. Auch Arbeitgeber profitieren davon: Wer einen über 55-jährigen Arbeitslosen einstellt, ist von der Arbeitslosenversicherung (3,25 Prozent) befreit. Auch gelten Erleichterungen für Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverhältnisse. Direktor Kaeswurm sieht seine Behörde dennoch im Konflikt: "Wenn immer mehr Ältere auf der Straße stehen, laufen unsere Möglichkeiten ins Leere. Es bleibt ein Widerspruch, wenn unsere Mitarbeiter die Älteren stärker vermitteln und fordern wollen und die Betriebe die Älteren entlassen."

Doch die Arbeitsverwaltung stellt sich auch selbst ein Bein. Denn wer wie Martin W. mit 55 Jahren arbeitslos wird, hat bis zu 32 Monate Anspruch auf Arbeitslosengeld. "Je länger jemand in die Arbeitslosenversicherung einzahlt, desto größer ist der Anspruch", sagt Kaeswurm. In W.s Fall wäre das sogar der Höchstsatz von 1529,41 Euro als Single. Auffällig ist, dass bei den Summen von 900 Euro und mehr Arbeitslosengeld im Monat die über 55-Jährigen in der Region Trier mit 652 die stärkste Gruppe der Leistungsempfänger sind. Nach seinem Anspruch, wenn Marin W. 58 Jahre alt ist, fällt er ohnehin aus der Arbeitslosen-Statistik raus. Und das, obwohl er weiterhin Geld vom Arbeitsamt bekommt. So sind im Arbeitsamtsbezirk Trier im Februar 1115 dieser so genannter Leistungsempfänger mit vorruhestandsähnlichem Status registriert - 11,9 Prozent mehr als im Februar 2002. W. braucht damit keine Beschäftigung mehr anzunehmen oder zu suchen - und bleibt für das Arbeitsamt eine Kartei-Leiche, die bezahlt werden muss, bis sie in Rente geht.

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