Vergessenes Potenzial

TRIER. Kinder und Küche - darauf möchten viele Frauen nicht mehr reduziert werden. Sie suchen nach der Erziehungszeit den (Wieder-)Einstieg in ihren Job. Tendenz steigend: Dabei haben Rückkehrerinnen besondere Qualifikationen zu bieten - Zuverlässigkeit, Souveränität, Organisationstalent.

Hätte ihre Tochter sie nicht dazu angetrieben, hätte sich Constanze Buss wohl noch länger mit dem Gedanken rumgeschlagen. Nach 20 Jahren der erste Job? Die Entscheidung hat sie sich schwerer gemacht, als es nötig gewesen wäre. Doch diese Erkenntnis hat sie erst gewonnen, als sie nach sieben Monaten zur Assistentin für Marketing und Neue Medien bei der Handwerkskammer (HWK) Trier ausgebildet war. "Als ich zu arbeiten anfing, war unser jüngster Sohn neun Jahre alt. Ich dachte, eine ganztägige Fortbildung sei mit der Familie nicht in Einklang zu bringen. Doch zu Hause klappte alles besser als ich dachte", sagt die vierfache Mutter. Viele Gedanken waren überflüssig

Fünf Jahre später ist sie gelassener, viele Gedanken scheinen überflüssig gewesen zu sein. "Ich habe meinen Horizont erweitert, mich auch in anderen Bereichen bewährt", sagt die 50-Jährige zufrieden. Dabei hat sich Constanze Buss auch umstellen müssen. Von Computern hatte sie keinen blassen Schimmer, als Hausfrau hatte sie die Freiheit, selbst über ihre Zeit zu bestimmen. Heute arbeitet sie fünf Stunden am Tag, ihre Zeit für private Kontakte ist stärker eingeschränkt. "Ich war zwar erfahren und selbstbestimmt, aber auf dem Berufsstand einer 20-Jährigen", sagt die studierte Forstwirtschaftlerin. Diese Situation kennt Carl-Ludwig Centner, Geschäftsführer des Vereins "Lernende Region Trier" und seit Jahren Seminarleiter für Wiedereinsteigerinnen bei der HWK. "Den meisten Berufsrückkehrerinnen fehlen Kenntnisse in der EDV und in der Kommunikation", sagt er. Neben anderen Bildungsträgern wie der Deutschen Angestellten Akademie oder Ibis Acam bietet die Kammer eine Ausbildung zur Büroorganisations-Assistentin an. Zur Ausbildung gehört neben der Theorie auch ein Praktikum. Bereits 30 Prozent der Teilnehmerinnen - von der Kindergärtnerin über die Reinemachefrau bis hin zur Architektin - finden so einen Job. Dass die Frauen motiviert sind und durchaus Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, beweist die Vermittlungsquote von über 90 Prozent. Einmal positive Erfahrungen gemacht, fragen einige Unternehmen sogar eigens Rückkehrerinnen nach. Damit Kurse vom Arbeitsamt gefördert werden - Kosten zwischen 1500 und 2000 Euro -, muss man arbeitslos gemeldet sein. Dabei ist laut Manuela Belling, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt, gesetzlich geregelt, wer als Berufsrückkehrerin gilt: "...wer Kinder unter 15 Jahren erzieht". Arbeitgeber könnten zudem bis zu sechs Monate lang 30 Prozent des Bruttolohns über das Arbeitsamt bekommen. "Die Vorteile der Mütter liegen auf der Hand: Betriebstreue, Organisationstalent und Durchhaltevermögen", sagt Ausbilder Centner. Walter Born, Geschäftsführer der Initiative Region Trier und Arbeitgeber von Constanze Buss, kann sich dem nur anschließen. "Das Potenzial von Lebenserfahrung einer Mutter ist weitaus höher als von jungen Leuten, auch wenn diese beruflich weiter sind", sagt Born. Als Boss hat er nicht nur eine neue Angestellte gesucht, sondern sich auch als Unternehmer verpflichtet gefühlt. "Keine Angst vor der Familiengründung"

"Indem ich eine Mutter einstelle, nehme ich jungen Menschen die Angst, eine Familie zu gründen. Denn ihnen vermittele ich den Eindruck, dass sie auch nach einer Familienpause gebraucht werden. Außerdem: Was nützt mir eine Maschine oder ein Büro, wenn ich niemanden habe, der sie bedienen oder es organisieren kann", sagt Walter Born. Noch werde in Betrieben zu kurzfristig nur an Profit gedacht. Constanze Buss ist erleichtert, dass ihr Potenzial gefragt ist: "In mir schlummerte mehr Wissen, als ich jemals dachte." Weiterbildungsangebote und spezielle Aktionen für Berufsrückkehrerinnen und Frauen bietet die Bildungsmesse "Job+Karriere" des Vereins "Lernende Region Trier" vom Freitag, 27. September, bis Montag, 29. September, in den Trierer Moselauen. "Der zweite Bildungsweg" und "Frauenpower" heißen spezielle Vorträge, zu denen der Eintritt frei ist.

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