"Verschwunden ist die Angst noch nicht"

ESSEN/TRIER. Bundesweit signalisieren Belegschaften ihre Wut gegenüber dem KarstadtQuelle-Konzern, der die Hälfte seiner Filialen schließen oder verkaufen will. Trier nimmt sich dabei wie eine Oase aus: Seit der gestrigen Belegschaftsversammlung wissen die Mitarbeiter, dass keine gravierenden Einschnitte anstehen.

Rechts das Parfüm, links die Taschen, überall wenige Verkäuferinnen. Alles wie immer bei Karstadt in der Simeonstraße. Und doch hat sich seit vorgestern etwas verändert beim Warenhaus-Riesen: Denn bis Mittwochmorgen wussten die Mitarbeiter nur aus der Presse und vom "Flurfunk" von den geplanten Schließungen, dem Stellenabbau und dem Verkauf der zum Konzern gehörenden Fachgeschäftsketten. Unsicherheit und Angst gingen um.Lob für gute Personalpolitik

Gestern morgen hat die Geschäftsführung die Belegschaft ganz offiziell über die Zukunft der Trierer Filiale informiert. "Im Verkauf ist bis Ende 2005 kein Stellenabbau geplant", sagte Personalchef Hubert Darda. Die Verwaltung müsse allerdings umstrukturiert werden. Ob und wie viele Stellen dabei geopfert werden müssten, stehe noch nicht fest. Es scheint, als sei bei Karstadt wieder der Alltag eingekehrt. Überall leuchten im Erdgeschoss rote Rabatt-Schilder. Im Warenhaus, umsatzmäßig noch vor Kaufhof die Nummer eins in Deutschland, herrscht reger Betrieb. "Angst hatten wir wohl alle", sagt eine Verkäuferin, die in der Drogerieabteilung hinter der Kasse sitzt. "Und ganz verschwunden ist sie trotz der Versicherungen heute Morgen nicht." In der ersten Etage stehen zwei Auszubildende beieinander. Richtig gebangt hätten sie nicht um ihren Job, schließlich haben sie einen Ausbildungsvertrag über drei Jahre. "Wie es danach weitergeht, müssen wir halt abwarten", sagt die junge Frau und zuckt die Achseln. "Ich hatte gehofft, dass es in Trier nicht so schlimm sein wird", fügt ihr Kollege hinzu. "Schließlich sind die nächsten Filialen weit entfernt und wir hier dadurch relativ geschützt." Tatsächlich sind die nächsten Filialen - die über 8000 Quadratmeter groß sind und damit nicht zu den kleinen Häusern gehören, die vom Konzern abgestoßen werden - in Kaiserslautern und Mainz. Die kleinere Filiale in Idar-Oberstein steht dagegen zum Verkauf, Zukunft ungewiss. In der Trierer Elektroabteilung im obersten Stock ist die Stimmung zwar gedrückt, aber hoffnungsvoll. "Auch wenn es uns nicht so hart getroffen hat, müssen wir weiter um bessere Umsatzzahlen kämpfen", sagt ein Mitarbeiter. "Wir hoffen auf das versprochene neue Konzept, das durch die Konzentrierung auf das Karstadt-Kerngeschäft, nämlich die Warenhäuser, möglich wird. Die Verwaltung hat uns dabei ihre Unterstützung zugesagt." Der Verkäufer ist zufrieden mit der Trierer Geschäftsführung. "Dass bei uns keine Stellen gestrichen werden, ist mit Sicherheit eine Folge der konsequenten Personalpolitik, die über die Jahre sanft die Mitarbeiterzahlen angepasst hat." Mit seinem Lob für die Geschäftsleitung steht der Verkäufer wohl recht allein auf weiter Flur. Die Gewerkschaft Verdi hat dem Karstadt-Konzern jahrelange Misswirtschaft vorgeworfen, und die Belegschaften fordern bundesweitÄnderungen des scharfen Sanierungsplans. In Nordrheinwestfalen hat sich gar die Politik eingeschaltet: NRW-Wirtschaftsminister Harald Schartau sprach von "immensen Auswirkungen der Konzernpläne", die den Tod ganzer Innenstädte verursachen könnten. Sein Generalsekretär warf den Managern vor, "die gefährdetenArbeitsplätze auf dem Gewissen zu haben".

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