Viel besser als der Ruf

Berlin . Experten streiten über die Stellung des deutschen Gesundheits-Systems im internationalen Vergleich: Nun stellt eine nationale Studie Deutschland gute Noten aus.

Fußballer Michael Ballack, aus dem Tritt geratener Mittelfeldregisseur des FC Bayern München, und das deutsche Gesundheitswesen haben doch tatsächlich etwas gemeinsam: Beide, so gestern jene Experten, die zumindest vom letzteren Bereich etwas verstehen, seien viel besser als ihr Ruf. Mag sein. Seit internationale Organisationen jedoch das Gesundheitswesen hier zu Lande im Vergleich zu anderen Nationen als mittelmäßig und zu teuer dargestellt haben, gilt nun mal folgendes Urteil: "Mercedes zahlen und Volkswagen fahren." Also alles Quatsch, alles Unsinn? Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Kieler Instituts für Gesundheits-System-Forschung (IGSF), die gestern in Berlin vorgestellt wurde. Deutschland, so Direktor Fritz Beske, habe allen Unkenrufen zum Trotz ein "leistungsfähiges Gesundheitswesen mit einem umfassenden Leistungskatalog". Den hohen Ausgaben stehe eine weltweit fast einmalige Versorgung gegenüber. Beispiele: Laut der Analyse der Wissenschaftler verfügt die Republik über eine überdurchschnittlich große Zahl an Ärzten, Fachärzten, Zahnärzten und an Pflegepersonal. Nach Frankreich finden sich laut Statistik auch die meisten Krankenhausbetten (6,3) je 1000 Einwohner in der Bundesrepublik. "Es gibt", so Beske weiter, "in Deutschland im Gegensatz zu vielen anderen Ländern praktisch keine Wartezeiten im Gesundheitswesen", was unter Experten als ein wesentliches Qualitätsmerkmal gilt. Die Republik sei damit "im internationalen Vergleich in einer Spitzenposition, wenn es darum geht, schnell ärztliche Hilfe zu bekommen". Hinsichtlich der Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheit hatte Deutschland allerdings im Jahr 2001 mit 3566 Euro nach den USA und der Schweiz die höchsten Ausgaben. Damit stand die Bundesrepublik laut Analyse jedoch auf einer Ebene mit Schweden, Dänemark und den Niederlanden. Ursache sei ein umfassender Leistungskatalog mit Kuren, Rehabilitation sowie einer 100-prozentigen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Müssten die Versicherten nicht andere Zweige der Sozialversicherungen entlasten, oder mit ihren Beiträgen nicht versicherungsfremde Leistungen wie Haushaltshilfen oder Kuren finanzieren, "so gäbe es auch keine finanziellen Probleme in der gesetzlichen Krankenversicherung". Durch solche "Verschiebebahnhöfe", ergänzte AOK-Vorstandschef Hans-Jürgen Ahrens, würden 6,5 Milliarden Euro jährlich an Einnahmen fehlen. Überkapazitäten wie bei Krankenhausbetten oder Fachärzten müssten aber abgebaut werden. Hintergrund der Analyse sind die Ergebnisse der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die im Jahr 2000 wie ein Bombe einschlugen: Danach belegte Deutschland in einem Vergleich von 40 Gesundheitssystemen nur Platz 25. Und auch die Oecd blies mit ihren Statistiken darauf- hin ins selbe Horn. Alles Unsinn, lautet jetzt das Fazit des Kieler Instituts. Das "Ranking" der WHO sei "als wissenschaftlich nicht haltbar" zurückgewiesen worden, werde von der WHO auch nicht weitergeführt.

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