Vom feinen Tuch zur schicken Mode

Trier · Kriege, Krisen, Kaiser, Könige und Kanzler: Traditionsreiche Unternehmen haben all dies überlebt. In der Region gibt es etwa 200 Firmen, die vor 1900 gegründet wurden und auf eine lange Unternehmensgeschichte blicken. Der TV stellt solche Unternehmen in der Serie Firmen-Geschichte(n) vor - heute das Modehaus Marx in Trier.

 Das Modehaus Marx in Trier heute und ... TV-Foto: Friedemann Vetter

Das Modehaus Marx in Trier heute und ... TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. Napoleon und die Franzosen sind abgezogen, Trier gehört zu Preußen. Karl Marx hat gerade mit 17 Jahren sein Abitur am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium mit einem Notendurchschnitt von 2,4 abgelegt, als sein Namensvetter Joseph Marx - nicht mit ihm verwandt - 1835 das Ursprungsunternehmen für das heutige Modehaus Marx gründet. In einer wirtschaftlich schwierigen Zeit gelingt es dem Firmengründer, den Tuchmacherbetrieb in Trier zu etablieren. Bald schon nimmt der Patriarch seine Söhne Nicolas und Peter mit ins Geschäft, dies ist die Geburtsstunde von "Jos. Marx Sohn".
TV-Serie Firmen-Geschichte(n)



Doch in den kommenden Jahren wird die Welt von Tuchen aus England überschwemmt, und es zeigt sich, dass das Haus Marx sich diesem Trend anpassen muss oder untergehen wird. 1874 entschließt sich Nicolas Marx, den Tuchmacherbetrieb einzustellen und stattdessen den Tuchhandel aufzunehmen. Unternehmerische Weitsicht und die Fähigkeit, sich von Rückschlägen nicht aus der Bahn werfen zu lassen, sind Züge, die erfolgreiche Unternehmensdynastien auszeichnen: Auch beim Tuchhandel Marx laufen die Geschäfte bald gut. Doch dem Aufstieg folgen schwere Jahre: Der Erste Weltkrieg, Inflation und Weltwirtschaftskrise treffen Menschen und Firmen in Deutschland schwer. Der Zweite Weltkrieg hinterlässt den Tuchhandelsbetrieb in Trümmern. "Übrig blieben Ruinen der Geschäfts- und Wohnräume", heißt es in der Unternehmenschronik. Georg Marx, der in der dritten Generation das Haus führt, ist bei Kriegsende bereits 73 Jahre alt. An seiner Seite stehen aber zwei junge Unternehmerfrauen: seine Nichte Maria Scheers und die Ehefrau seines Neffen Alfons Scheers, Marianne. Die beiden Frauen stehen für den Wiederaufstieg des Hauses. Mit geringen Warenbeständen schaffen sie den Neuanfang. "Sie haben in der Nachkriegszeit Tuche in Aachen gekauft und mussten notfalls die Zöllner an den Grenzen der damaligen Besatzungszonen mit einer Flasche Wein ,überzeugen\', passieren zu dürfen," erzählt die heutige Geschäftsführerin Karin Kaltenkirchen. Alfons Scheers kehrte 1948 aus der Kriegsgefangenschaft zurück, und die Firma Marx entwickelte sich weiter. Aus dem Tuchhandel wird ein Tuchgroßhandel, ein Tuchgroßversand, und im Verkauf können Kunden zudem Futterstoffe und Schneiderbedarf erwerben. 1958 beginnt das Unternehmen, Konfektionsware anzubieten, doch zunächst begrenzt, hauptsächlich als Großhandelsunternehmen.
Neue Ausrichtung


1967 dann eine wichtige Zäsur in der wechselhaften Geschichte des Unternehmens: Alfons Scheers nimmt den befreundeten Kaufmann Reinhard Hauser in die Firma auf, der zwei Jahre später Gesellschafter des Unternehmens wird. Das Führungsteam Scheers-Hauser geht schnell neue Wege - aus dem Großhandel wird ein Einzelfachgeschäft: das Modehaus Marx. Mit der nächsten Unternehmergeneration beginnt die Expansion der Firma.
1988/89 werden sowohl das Herren- als auch das Damenhaus erheblich erweitert. Die Verkaufsfläche des Herrenhauses verdoppelte sich auf über 900 Quadratmeter. Das Damenhaus wird um 550 auf 2000 Quadratmeter vergrößert. Und der "rote Turm" gegenüber der Basilika wird gebaut, mit dem eine Baulücke zwischen dem Modehaus Marx und dem französischen Kasino "Maison de France" geschlossen wird. 1999 erwirbt das Modehaus das "Maison de France". Das Damenhaus wird so auf 3400 Quadratmeter vergrößert und durch die Aufnahme von zusätzlichen modischen Marken erweitert. In die Geschäftsführung steigen 1986 Horst Hauser und seine Schwester Karin Kaltenkirchen (1998) ein.
In den 80er Jahren macht sich das Modehaus auch einen Namen für Kleidung in Übergröße. "Die Dicken zu uns" ist ein Slogan, auf den Karin Kaltenkirchen heute noch angesprochen wird. "Die Schaufensterpuppe in Übergröße ist als Fotomotiv in vielen Ländern zu finden. Vor allem Chinesen und Japaner haben gerne davor posiert", erinnert sie sich an diese Phase. "Doch irgendwann hat uns dieses Image zu sehr gebunden", erklärt die Modehaus-Chefin. Seine schwerste Zeit hatte das Unternehmen 2002, als es Insolvenz anmelden musste.
Doch auch aus dieser Krise hat sich das Modehaus befreit. Die jüngste Unternehmergeneration ging in die Verantwortung und hat sich etabliert. Heute ist das Haus (fast) ganz in Frauenhand. "Wir haben 74 Mitarbeiter, darunter fünf Männer", sagt Karin Kaltenkirchen. Ein wichtiges Kriterium für den Erfolg der Firma ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. "Der Garant für unsere Servicequalität sind unsere Mitarbeiter." Für Karin Kaltenkirchen der Schlüssel, um als Fachgeschäft in Zeiten, in denen der Internethandel boomt, zu bestehen. Dazu zählt sie auch die Ausrichtung des unternehmergeführten Fachgeschäftes. "Alle Frauen wollen sich schick und modern kleiden, doch nicht alle haben eine Modelfigur," sagt Kaltenkirchen. Darauf habe sich das Modehaus mit seinem Angebot eingestellt. "Bei uns finden jede Kundin und jeder Kunde von Young Fashion bis zur Klassik Mode, die zu ihnen passt," sagt sie. Ebenso wichtig ist für die Unternehmerin aber auch die Attraktivität der Einkaufsstadt Trier. In der City-Initiative hat Karin Kaltenkirchen als Vorsitzende viele Initiativen angestoßen.
"Wenn die Stadt interessant ist und es viele Besucher und Gäste gibt, dann profitieren auch die einzelnen Unternehmen davon. Diesen Tipp hat mir mein Vater gegeben: Schau, dass das Unternehmen gut geführt ist, und sieh\' zu, dass die Stadt für Kunden interessant ist."

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