Von Konsum-Muffeln und Marxisten

TRIER. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. Dies könnte symbolhaft für die deutsche Wirtschaft gelten, wenn man Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, und seinen Prognosen glaubt. Im Rahmen der "Wirtschaftsperspektiven" sprach er auf Einladung des Deutsche Bank Investment & FinanzCenters Trier an der Katholischen Akademie.

Er ist der Mann für Analysen und Prognosen der deutschen Wirtschaft. Umso spannender erscheint die Frage, ob nach Ansicht von Norbert Walter die Konjunktur in Deutschland nun anzieht oder doch stagniert. "Es ist mühselig, aber wir kommen voran", sagt er und nennt Zahlen. Deutschland werde um zwei Prozent wachsen. Das glaubten ihm viele heute noch nicht, weil sie es für zu hoch hielten. "Dabei ist dies real kaum mehr als Stagnation", versucht er zu relativieren. Doch seien die Deutschen derzeit so pessimistisch, dass selbst "eine ungerechtfertigte Stimmungsaufhellung" in Ordnung sei. Wenn es denn voran gehe. Für Walter sind die Deutschen nicht nur Konsummuffel ("Noch nie haben wir uns so lange an Autos und Kaffeemaschinen gekrallt"), sondern auch kleinlich. "Deutsche und Europäer sind prinzipiell Marxisten. Sie erkennen nur die Landwirtschaft und Industrie als wertschöpfend an", redet Walter seinen Landsleuten ins Gewissen und zieht Vergleiche zu den USA, wo Dienstleistungen nicht als "Schmarotzertätigkeit" gelten.Doch griffen die Amerikaner zu übertriebener Stimulierung der Wirtschaft durch überzogene Kreditaufnahmen und Steuersenkungen. Insofern sei die Zinsentscheidung der amerikanischen Notenbank zu spät gekommen und zu gering ausgefallen. "Die Notenbank wird berechenbar, der Schritt nimmt sich die Wirkung", sagt Walter. Kein wirklicher Dämpfer für die US-Konjunktur. Dagegen schlagen sich die Deutschen eher mit fehlenden Impulsen für ihre Wirtschaft und hohen Haushaltslöchern rum. "Allein die Senkung der Kosten reicht nicht", ist Walter überzeugt. Auch Investitionen in Qualität und Produkte seien wichtig. Wirtschaftspolitisch gibt Norbert Walter die Prognose ab: "Gerhard Schröders Reformkurs wird bis 2006 fortgeführt, das ist seine Chance." Danach werde es eine Bundeskanzlerin Angela Merkel geben, der die notwendigen Reformen gelingen müssten, "als Stütze für eine Modernisierung", wie Walter glaubt.

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