Von der Kinderarbeit zum Verbraucherschutz

TRIER. Ob Röntgenstrahlen-Schutz, Spielzeug-Kontrolle, Mutterschutz-Prüfung oder Gefahrstoff-Messung: Die Arbeit der Gewerbe-Aufsicht ist vielfältig und hat sich bewährt - seit über 150 Jahren bundesweit.

Das Motiv zur Gründung der Gewerbe-Aufsicht ist für heutige Verhältnisse nicht mehr nachvollziehbar. Doch damals, als am 16. Mai 1853 das so genannte "Regulativ über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter" verabschiedet wurde, war Kinderarbeit weit verbreitet. Wer zwischen neun und zwölf Jahre alt war, sollte künftig nicht mehr über zehn Stunden am Tag arbeiten, Maloche in der Nacht und an Sonntagen wurde ganz verboten. Staatliche Fabrikinspektoren kontrollierten die Verbote und Einschränkungen, ähnlich ausgestattet mit Funktionen wie die Ordnungspolizei. War die Arbeit der staatlichen Gewerbe-Aufsicht anfangs noch auf Preußen und die Kinderarbeit beschränkt, so erweiterten sich das Hoheitsgebiet bald auf das Kaiserreich und die Aufgaben um Arbeitsschutz, Anlagenschutz, technischen Verbraucherschutz und Umweltschutz.Unabhängig von politischem Einfluss

Anfangs wurde die Region vom Bezirk Aachen mitverwaltet, doch 1892 entstand in Trier ein selbstständiges "preußisches Gewerbe-Aufsichtsamt". Heute rangiert das Amt als eine von drei Regionalstellen bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord. "Beschäftigte der Gewerbe-Aufsicht sind bei einer Landesbehörde angestellt", sagt Bernhard Drabner, Abteilungsleiter Gewerbe-Aufsicht der SGD Nord in Koblenz. Dies habe historische Ursprünge: "Landesbedienstete waren relativ unabhängig und konnten sich gegen den politischen Einfluss manch lokaler Unternehmergröße besser durchsetzen." Der Mensch steht heute immer noch im Mittelpunkt der Arbeit der 31 Trierer Beamten - im Betrieb, zu Hause und in seiner Umwelt. "Unser klassisches Arbeitsgebiet war der Betrieb, das hat sich zunehmend nach draußen zum Verbraucher hin bewegt", sagt der Trierer Referatsleiter Norbert Faber. Ob es um reizende Chemikalien geht, die das Erbgut verändern, die richtige Absicherung von Baustellen, um Farben undLacke, die den Gebrauch von Maske und Handschuhen verlangen, die Meldung von Mitarbeiterinnen im Mutterschutz, die Prüfung von Nachbarschaftsbeschwerden, weil sich nebenan eine Produktionshalle befindet, die Belastung durch Mobilfunk und Elektrosmog, die Folgen der Bestrahlung durch Röntgengeräte im Arztzimmer oder gar Gefahren durch schlecht verarbeitetes Kinderspielzeug - vielfältig und breit sind die Aufgaben der Beamten im Laufe der Jahrzehnte geworden. "Da hat sich der ein oder andere alte Hase ganz schön umstellen müssen", sagt der Trierer Gewerbe-Aufsichtler Oliver Krings. Zu den Aufgaben gehören auch Stichproben: So haben die Kontrolleure in der Region Trier im vergangenen Jahr in mehreren Alten- und Pflegeheimen sowie Krankenhäusern Pflegebetten untersucht. Denn bundesweit waren mehrere Menschen verbrannt, weil die Elektrik einiger Pflegebetten defekt gewesen war. "Es geht nicht um eine Gewährleistung gegenüber dem Verbraucher, sondern um technische Mängel, eine Art Reisepass für Produkte", sagt Krings und weist auf den Unterschied zu den kommunalen Gewerbe-Ämtern hin. In Aktion sind Faber und sein Team auch nach dem Unfall eines Gefahrguttransporters bei Prüm im April 2003 gewesen, als es um den Arbeitsschutz vor Ort ging. Aber auch nach der Gas-Explosion auf dem Trierer Weihnachtsmarkt 1992 waren die Beamten im Einsatz. Das Ergebnis: Seitdem wissen Amt, Stadt und Feuerwehr um Gefahrenherde. Besondere Aufgaben gibt es für die Gewerbe-Aufsicht seit dem 11. September 2001. Seitdem werden Gas- oder Tanklager besonders unter die Lupe genommen. "Unserer Arbeit ist schwer messbar. Wie ein künftig nicht stattfindender Unfall zu bewerten ist, weiß niemand", sagt Referatsleiter Faber. Da die Beamten eine Art Sonderpolizei sind, haben sie das Recht, jederzeit und unangemeldet Zutritt zu Betrieben zu bekommen. Doch statt auf Peitsche, Bußgeld und Strafandrohung setzt die Behörde eher auf Zuckerbrot und guten Willen. "Dialogorientierter Vollzug", nennt Abteilungsleiter Bernhard Drabner das im Beamtendeutsch. Eine Besonderheit bundesweit ist ein Runder Tisch in der Region Trier, an dem unter anderem Kammern, Krankenkassen, Gewerkschaften und Berufsgenossenschaft beteiligt sind. So vielfältig die Aufgaben, so bunt die Zusammensetzung der Berufe der Beamten - vom Umwelt-Ingenieur bis zum Müller-Meister. Dabei sind die 31 Trierer Beamten für 20 000 Betriebe und 180 000 Beschäftigte zuständig, eine flächendeckende Kontrolle unmöglich. Da kommt den Beamten die Konzentration auf die Eigenverantwortung der Unternehmer gerade recht. Nichtsdestotrotz bleiben etwa 1000 Gesetze, Verordnungen und technische Vorschriften, die kontrolliert werden wollen, inklusive so bunter Blüten deutscher Penibilität wie das lange gültige "Nacht-Backverbot" oder die "Druckluftverordnung" über die Arbeit in Hohlräumen und die "Lebensmittel- und Bedarfsgegenstände-Verordnung" für Lederhandschuhe und ihren Einsatz bei der Arbeit - für jeden Fall also der entsprechende Gesetzestext.

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