Vorsorge tut not

TRIER. Auf den Einzelnen kommt es an, in Zukunft noch stärker als bisher. Denn der Staat verschiebt die Verantwortung für den Lebensstandard im Alter zunehmend auf jeden Arbeitnehmer.

Alles geht auf Oberstaatsanwalt Götz Kuhlmann zurück. Seine Klage gegen die Ungleichbehandlung von Pensionen und Renten in der Besteuerung hat das Bundesverfassungsgericht auf den Plan gerufen, das wiederum der rot-grünen Bundesregierung ins Aufgabenheft notiert hat: Bis zum 1. Januar 2005 muss eine Lösung her. Die heißt Alterseinkünftegesetz und beinhaltet das so genannte Schichten-Modell. Ein Modell, das der privaten Vorsorge fürs Alter einen höheren Stellenwert einräumt. Wer bereits in Rente ist, muss seit dem 1. Januar zunächst die Hälfte seiner Renten und dann schrittweise mehr versteuern - 2040 sind es 100 Prozent. Wer also etwa 12 000 Euro Jahresrente bekommt, für den sind 6000 Euro steuerpflichtig. Gleichzeitig werden die Vorsorge-Beiträge im Gegensatz zu heute zunehmend steuerfrei. "Dies ist der zentrale Punkt des Alterseinkünftegesetzes - die nachgelagerte Besteuerung", sagt Andreas Esche, Projektleiter "Aktion demografischer Wandel" bei der Bertelsmann-Stiftung. Insofern gebe es an dem Gesetz nichts zu kritisieren. Wer neben seiner Rente keine anderen zu versteuernden Einkünfte hat, wird folglich auch weiterhin keine Steuern zahlen müssen. Erst wenn der zu versteuernde Teil der Rente wächst, steigt die Wahrscheinlichkeit der Steuerpflicht. "Ob und in welcher Höhe Steuern auf Renten zu zahlen sind, hängt von den individuellen Verhältnissen des Rentners ab", heißt es im ARD-Ratgeber Geld "Meine Rente", den der Sender zusammen mit den Verbraucherzentralen herausgegeben hat. Dabei spielen Einkünfte des Ehepartners aus Vermietung, Verpachtung und aus Kapitalvermögen oberhalb des Sparerfreibetrages eine entscheidende Rolle. Generell gilt: Wer allein stehend ist, kann 2005 eine Bruttorente von etwa 18 700 Euro im Jahr erhalten, ohne dass Steuern zu zahlen sind. Vorausgesetzt, es gibt keine weiteren Einkünfte. Beispiel eins aus dem ARD-Ratgeber: Bisher erhielt ein Rentner monatlich 1450 Euro brutto oder 17 400 Euro im Jahr. Der so genannte Ertragsanteil lag bei 27 Prozent, so dass 4698 Euro zu versteuern waren. Damit lag das Einkommen unter dem Grundfreibetrag von 7664 Euro - es wurden keine Steuern fällig. Nun aber - nach neuem Recht - werden 50 Prozent der Rente besteuert, also 8700 Euro. Der Vergleich 4698 und 8700 Euro zeigt: Von diesem Jahr an unterliegt generell ein höherer Rentenanteil der Besteuerung. Beispiel zwei: Wer 18 700 Euro Rente im Jahr bekommt, muss 50 Prozent davon, 9350 Euro, versteuern. Zieht man die Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherung sowie kleinere Pauschalbeträge ab, liegt das zu versteuernde Einkommen unter dem Grundfreibetrag von 7664 Euro. Während sich die Jüngeren vorerst über mehr Geld in der Tasche freuen dürfen, zahlen laut Schätzungen des Bundes der Steuerzahler etwa 3,3, Millionen Rentner ab diesem Jahr Steuern. Pech könnten all diejenigen haben, die zwischen 2020 und 2050 in Rente gehen werden: Sie werden in die Übergangsphase fallen und doppelt Steuern zahlen - zuerst auf ihre Beiträge, dann auf ihre Rente, hat der Bund der Steuerzahler ermittelt. Weil aber die staatliche Rente weiterhin der "Hauptstock" bleibe, ist Michael Pesch von der Landesversicherungsanstalt (LVA) in Trier sicher, "sollte verstärkt privat vorgesorgt werden". Dies sei bislang noch nicht geschehen, weiß er: "Das Problem wird sich wohl erst zeigen, wenn im Rentenalter die Besteuerung ansteht." Denn langfristig müssten im Alter mehr Steuern gezahlt werden. Ähnliches stellt auch Esche in Aussicht: "Heute braucht man 30 Berufsjahre, um den durchschnittlichen Rentensatz zu bekommen", rechnet er vor. Folglich müssten genau diejenigen noch stärker als alle anderen vorsorgen, die Niedriglöhne bekommen und häufiger arbeitslos sind. "Sonst gibt es reihenweise Bedürftigkeit und Trittbrettfahrertum auf dem Rücken derjenigen, die vorsorgen", warnt der Experte der Bertelsmann-Stiftung. Tendenziell sei die private Vorsorge durch die Riester-Rente überschätzt worden: Lediglich zehn Prozent der Bevölkerung sind auf diese Art und Weise zusätzlich versorgt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort