"Warum soll ich einen der beiden wählen?"

MAINZ. Versöhnliche Töne schlugen die Kontrahenten Christoph Böhr und Peter Rauen im Streit um die CDU-Spitzenkandidatur bei der ersten Regionalkonferenz in Mainz an. Den stärksten Beifall jedoch erhielten die Parteimitglieder, die ihren aufgestauten Ärger über die wochenlangen Führungsquerelen zornig herausließen.

"Sagen Sie nicht, dass sie dastehen, sondern warum sie da stehen", brachte ein CDU-Mitglied seinen Unmut über die aus seiner Sicht wenig aussagekräftige Bewerbervorstellung von Parteichef Christoph Böhr und seinem Kontrahenten, dem Trierer Bezirksvorsitzenden Peter Rauen, am Donnerstagabend in der Mainzer Rheingoldhalle auf den Punkt. Seit spätestens Anfang September wirbelt der heftige Streit um die Spitzenkandidatur für dieLandtagswahl täglich die Union durcheinander und lässt sie in der Publikumsgunst abstürzen. Doch auch nach der ersten von landesweit fünf Vorstellungsrunden waren sich viele der knapp 600 Zuhörer nicht sicher, mit wem denn nun die Partei am erfolgreichsten in den nächsten Wahlkampf ziehen könnte. Während für keinen der beiden Anwärter so rechte Begeisterung aufkommen wollte, brandete immer wieder Beifall auf, wenn Parteimitglieder ihrem Unmut über den öffentlichen Bewerber-Hickhack freien Lauf ließen. Heftige Kritik gab es für "einen völlig überflüssigen Kandidatenstreit", mit dem der Parteivorsitzende demontiert worden sei. Schelte auch für die drei Bezirksvorsitzenden, die mit ihrem Brief an die CDU-Kreischefs "der Partei einen Bärendienst" erwiesen hätten. Mit dem Schreiben hatten Peter Rauen, Joachim Hörster und Kurt Lechner spontan die zögerliche Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Eva Lohse als Kandidatin ausrufen wollen und damit erst recht die Auseinandersetzung angefacht. Die SPD und ihr hemdsärmeliger Ministerpräsident schlage sich derweil "permanent auf die Schenkel vor Lachen", so der zornige Zwischenruf eines CDU-Mitglieds. Staatsmännisch präsentierte sich Parteichef Böhr und plädierte dafür, die Probleme um seine Person offen anzusprechen, um sich spätestens beim entscheidenden Parteitag am 12. November geschlossen hinter den Spitzenkandidaten zu stellen - wer immer es dann auch sein möge. "Ich weiß, dass manche sagen: Der ist zu kühl, der ist zu nachdenklich", räumte Böhr ein. Und zum Dampfplauderer und Unterhaltungskünstler eigne er sich auch nicht. Dagegen setzte er Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit: "Ich bin wie ich bin." Nur selten wurde Böhr kämpferisch. "Wir schießen uns seit Jahren selbst ins Knie", schrieb der den Parteifreunden angesichts der ständigen Attacken innerhalb der eigenen Reihen ins Stammbuch. Peter Rauen präsentierte sich als zupackender Macher, bei dem in jungen Jahren die Politik hinter Familie, Firma und Fußball habe zurückstehen müssen. Weil Böhr aus seinem Image-Problem keine Konsequenzen ziehen wolle, trete er als "ehrgeiziger Sportler" an, um zu gewinnen, so der 59-jährige Bundestagsabgeordnete. Er könne Menschen zusammenführen und traue sich zu, die CDU nach 15 Jahren wieder in die Regierung zu führen, lautete seine knappe Begründung. Sein Ausflug in die Mittelstandspolitik, Forderungen nach einfacherem Steuersystem und Sozialreformen, zeigten zumindest teilweise Wirkung. Die langjährigen CDU-Mitglieder Annelies Ebling und Anneliese Waldorf aus dem rheinhessischen Saulheim kannten Rauen zwar bislang nicht, sahen in ihm aber den Punktsieger der Versammlung. "Der geht aus sich raus und hat mehr Sinn für die Wirklichkeit", glauben beide Damen. Karl-Heinz Friedrich und Eberhard Bitz aus Mainz kamen auch unvoreingenommen zum "Kandidatentest", stellten jedoch für sich fest, dass sich Böhr besser geschlagen habe im direkten Vergleich. Nach zweieinhalb Stunden sah allerdings nicht nur Herbert W. Hofmann aus Worms seine entscheidende Frage weder von Böhr noch von Rauen eindeutig beantwortet: Warum soll er einen der beiden wählen?

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