Weiße Kragen, schwarze Kassen

TRIER. Schneider, Doerfert, die Haffa-Brüder - solche Fälle haben Aufsehen erregt. Der Gesamtschaden durch Wirtschaftskriminalität beläuft sich auf 100 bis 200 Milliarden Euro. Und die Bekämpfung ist schwierig. Das wurde auf einer Tagung der Katholischen Akademie deutlich.

"Wirtschaftskriminalität - Bedrohung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung": Die Katholische Akademie Trier hatte hinter dem Tagungstitel das bei solchen Formulierungen sonst obligatorische Fragezeichen weggelassen und damit die Brisanz des Problems hervorgehoben. Ob die Grund- und Werteordnung der Republik wirklich bedroht ist, blieb kontrovers. Dass Wirtschaftskriminalität eine ernsthafte Gefahr für die Bürger und ein Chamäleon für die Ermittler ist, bestritt niemand. Ernest Backes aus Luxemburg konstruierte sogar spektakuläre Verschwörungen zwischen Wirtschaft, Politik und Geheimdiensten, und Hans See wies auf die engen Zusammenhänge zwischen der Wirtschaftskriminalität und einer Globalisierung hin, in der nicht nur das Geld beliebig manipulierbar sei, sondern auch die Moral.Maschine weg, Geld weg, Polizei bleibt untätig

Um Wirtschaftsverbrechen aufzuspüren, sind weite Reisen unnötig. Der saarländische Unternehmer Günther Dillmann, der Lebensmittelmaschinen herstellt und diese europaweit verkauft, schilderte am Rande der Tagung seinen aktuellen Betrugsfall. Eine Maschine wird von einem belgischen Geschäftsmann bestellt, eine Auskunftei bestätigt dessen Bonität, ein holländischer Spediteur erscheint, überreicht einen bestätigten Scheck, transportiert die Maschine nach Belgien. Nach vier Wochen platzt der Scheck, und das Unternehmen des Auftraggebers erweist sich als Scheinfirma. Die Behörden bleiben trotz Strafanzeige praktisch untätig. Der Spediteur schweigt, die Maschine ist verschwunden und das Geld nicht da. Schaden: 30 000 Euro. Dillmann: "In anderen Unternehmen kann eine solche Schadenshöhe zur Insolvenz führen." Der Unternehmer ist sich sicher: Nicht das Auslandsgeschäft ist das Problem, sondern die Überforderung der Ermittler. Polizeibeamte, die täglich mit Wirtschaftskriminalität zu tun haben, sagten in einer Tagungspause, die Gesetze seien völlig ausreichend. Sie beklagten die Bürokratisierung der Polizeiarbeit, die Unterbesetzung der Behörden, das zögernde, unentschiedene Verhalten von Staatsanwälten und die mangelnde Kommunikation zwischen den Justizbehörden. Die Strafverfolgung bei Wirtschaftsverbrechen sei ein "Kampf gegen Windmühlenflügel". Was auch bedeutet: Bessere Arbeitsbedingungen für Ermittler bringen mehr als schärfere Gesetze. Um so größer sei die Genugtuung, wenn es tatsächlich einmal gelinge, nicht nur Täter dingfest zu machen, sondern auch die Opfer aus deren Vermögen zu entschädigen. Haftstrafen bis zu zehn Jahren samt Vermögenseinzug und nachfolgend drastischer Verarmung des Delinquenten - das klingt ziemlich abschreckend. Die angestrebte Wirkung relativiert sich jedoch beim Blick auf den Ausgang der meisten Verfahren deutlich. Manfred Nötzel, Oberstaatsanwalt in München und Spezialist für Wirtschaftskriminalität: "Rund 50 Prozent der Verfahren werden ohne Anklage eingestellt. Kommt es zur Anklage, findet in 80 Prozent der Fälle zwischen Staatsanwalt und Verteidigung ein "Deal" statt: Der Angeklagte gesteht, und zum Ausgleich gibt's eine milde Strafe." Das Prinzip Abschreckung funktioniert offenbar nicht. Nötzel musste kopfschüttelnd einräumen, dass Wirtschaftskriminalität trotz drakonischer Strafen nicht auszurotten sei. Immerhin habe man die Angelegenheit so zurückgedreht, dass man, wenn auch zähneknirschend, damit leben könne. Trotzdem: "Die Sache läuft nicht gut." Diese Botschaft hörten mehr als 50 Teilnehmer aus ganz Deutschland, meist Polizisten und Staatsanwälte, allerdings nur vereinzelt Unternehmer. Aus der Trierer Region war niemand dabei.

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