Weiter Flaute

BERLIN. Wieder einmal wollte sich die Wirklichkeit nicht an den Optimismus von Wolfgang Clement halten. Im Januar 2004 hatte der Bundeswirtschaftsminister prophezeit, dass die durchschnittliche Zahl der Arbeitslosen um bis zu 100 000 unter der des Vorjahres liegen werde. Doch es kam anders.

Mit 4,381 Millionen Erwerbslosen registrierte die Nürnberger Bundesagentur für 2004 den höchsten Stand seit sieben Jahren. Verglichen mit 2003 kamen im Vorjahr nochmals durchschnittlich 4300 Personen in der Nürnberger Statistik hinzu. Und der Clement-Flop wäre noch schlimmer ausgefallen, wenn man bedenkt, dass Teilnehmer an vorbereitenden Trainings- und Qualifizierungsmaßnahmen inzwischen aus der Arbeitslosenstatistik entfernt wurden. Trotzdem lässt sich der SPD-Politiker nicht verdrießen. "Mit einer weiteren konjunkturellen Erholung erwarte ich, dass die Zahl der Arbeitslosen im Verlauf dieses Jahres allmählich zurückgehen wird", kommentierte Minister Clement die jüngste Hiobsbotschaft aus Nürnberg. Also neues Spiel, neues Glück? Zweifellos steht es um die wirtschaftliche Lage weniger düster als noch vor einem Jahr. Dafür spreche "eine Mixtur aus wirtschaftspolitischen Verbesserungen, tarifpolitischer Vernunft, eigenständigen konjunkturellen Auftriebskräften und einer alles in allem robusten Weltwirtschaft", resümiert etwa das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Eine optimistische Prognose für den Arbeitsmarkt sucht man allerdings bei den Konjunkturforschern vergeblich. Zwar dürfte die Zahl der Arbeitslosen ab Mitte 2005 sinken, aber "mit einer deutlichen Entspannung auf dem Arbeitsmarkt ist auch in diesem Jahr nicht zu rechnen", meinte Klaus Zimmermann vom Institut der deutschen Wirtschaft (DIW). Dafür sei die Dynamik der konjunkturellen Entwicklung "nicht stark genug". Zimmermann sprach von einer "Stagnation auf hohem Niveau", die erst Ende 2006 spürbar durchbrochen werden könnte. Wirtschaftsminister Clement argumentiert derweil mit einer wachsenden Zahl an Erwerbstätigen, die offenbar durch die verstärkte Schaffung von Minijobs und Ich-AGs zu Stande kam. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden hat für 2004 einen leichten Anstieg der Erwerbspersonen um 128 000 auf 38,4 Millionen registriert. Nach Einschätzung des DIW wird dieser Trend aber nicht anhalten. Das gelte insbesondere für Ich-AGs, die wegen ihrer vergleichsweise großzügigen Förderung einen Boom erlebten, aber seit Ende 2004 von den Arbeitsagenturen auf ihre unternehmerische Tragfähigkeit überprüft werden müssen. Auch die Wirkung des Hartz-IV-Gesetzes ist für Zimmermann mit Fragezeichen behaftet. "Entscheidend ist, wie die Agenturen auf die Ausweitung der Vermittlung umschwenken". Schon bei der Nürnberger Bilanz im Februar könnte die Zahl der Arbeitslosen sprunghaft zunehmen, weil erstmals einige Hunderttausend arbeitsfähige Sozialhilfe-Empfänger in den Daten erfasst werden. Entlastend wirken sich dagegen so genannte Ein-Euro-Jobber aus. Auch Arbeitslose, die kein Arbeitslosengeld II mehr erhalten, dürften zunehmend aus der Statistik verschwinden, weil es für sie kaum Anreize gebe, sich erneut arbeitslos zu melden.

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