Wem schlägt wann die Stunde?

TRIER. Das Thema Arbeitszeit diktiert derzeit die Diskussionen in der Wirtschaft: Arbeiten die Deutschen zu wenig? Während die Unternehmen auf eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit drängen, schließen die Gewerkschaften dies kategorisch aus. In der Region Trier scheint hingegen die Diskussion weniger Brisanz zu enthalten.

Mit der Rückkehr zur 40-Stunden-Woche an zwei Siemens-Standorten wurde die Diskussion um die Wochenarbeitszeit in Deutschland in diesem Sommer losgetreten. Seit Juli vergeht fast kein Tag, an dem nicht Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter über das rechte Maß an Arbeitszeit streiten. Die Industrie- und Handelskammer Trier hat jüngst 200 Unternehmen aus der Region Trier nach deren Arbeitszeitregelungen befragt. Die IHK-Umfrage "Standortsicherung durch Arbeitszeitflexibilisierung" zeigt ein interessantes Bild: Mehr als 70 Prozent der Unternehmen praktizieren Formen der Arbeitszeitflexibilisierung. Am häufigsten kommen dabei flexible Wochenarbeitszeiten, Jahresarbeitszeitkonten und Gleitzeitregelungen zum Einsatz.Mehr Stunden für den Wettbewerb

"Um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu sichern, hat rund ein Drittel der befragten Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungssektor eine vertraglich festgelegte Arbeitszeit von 40 Stunden und mehr pro Woche vereinbart", wertet die Kammer die Umfrage aus. Der Wettbewerbsdruck führe dazu, dass 31 Prozent der Betriebe in den kommenden drei Jahren Arbeitszeitverlängerungen ohne vollen Lohnausgleich bereits vereinbart oder zumindestens eingeplant hätten. "Weitere zwölf Prozent würden solche Maßnahmen gerne durchführen, scheitern damit jedoch an unternehmensinternen Widerständen", sagt IHK-Wirtschaftspolitik-Experte Matthias Schmitt. Diese Entwicklung lässt sich auch bei rund 6000 Handwerksbetrieben in der Region Trier erkennen: "Der Trend geht zur 40-Stunden-Woche", sagt Matthias Schwalbach von der Handwerkskammer Trier. So gebe es in den tarifgebundenen Elektrobetrieben zwar noch die 37-Stunden-Woche, doch bei den anstehenden Tarifverhandlungen wollten die Arbeitgeber dort auf eine 40-Stunden-Woche hinwirken. In vielen Fällen sei es im Handwerk so, dass die Betriebe keine Tarifbindung hätten. "Hier ist die 40-Stunden-Woche ganz normal", sagt Schwalbach. Wichtig für Unternehmen sei zudem eine hohe Flexibilität. So gebe es bei Jahreszeitkonten einen Korridor für wöchentliche Arbeitszeiten von 32 bis 48 Stunden. Für den IHK-Wirtschafts-Experten Schmitt ist die Frage der Arbeitszeit ein wichtiger Standortfaktor: "Wichtige Motive für Arbeitszeitflexibilisierung und Arbeitszeitverlängerung ohne vollen Lohnausgleich liegen nach Auskunft der Unternehmen im Versuch, die Arbeitskosten zu senken und damit die Produktionsstandorte zu sichern. Bei im Wesentlichen starren Monatslöhnen sind Arbeitszeitverlängerungsmaßnahmen ein Mittel für Betriebe, um die Lohnstückkosten zu senken und die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern", sagt Matthias Schmitt. Dies deckt sich mit den Untersuchungen des Unternehmer-nahen Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (iwd). Es helfe zwar nicht jedem Betrieb, wenn er seine Mitarbeiter später ins Wochenende verabschiede. "Für viele Unternehmen ist die Arbeitszeitverlänger-ung ohne Lohnausgleich allerdings ein eleganter Weg, die Arbeitskosten je produzierte Einheit zu senken - und somit die Rentabilität der deutschen Werke zu steigern." Bei Siemens verringern sich durch die Verlängerung der Arbeitszeit an den beiden Standorten die Stundenlöhne an den betroffenen Produktionsstätten um 14 Prozent - weggefallene Überstundenzuschläge seien dabei nicht einmal mitgerechnet, so das iwd. Vergleicht man allerdings nur die tarifliche Arbeitszeit, so genießen die Deutschen im EU-Vergleich recht kurze Arbeitszeiten: Ein Industrie-Arbeiter hatte 2002 eine tarifliche Wochenarbeitszeit von 36 Stunden, in Griechenland, Italien oder Finnland waren es 40 Stunden.

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