Wenn Autos Karussell fahren

TRIER. Es war eines der größten Betrugskomplotte der vergangenen Jahre, glauben Experten. Nach mühsamer Ermittlungsarbeit zerschlugen Trierer Steuerfahnder ein komplexes Firmengeflecht, das den Fiskus um über 13 Millionen Euro geprellt hat.

In kaum einer Branche ist der Preiskampf derart hart wie bei den Autos. Vertragshändler bekommen zunehmend Konkurrenz von freien Händlern, im Internet wird mit Schnäppchenpreisen geworben - immer öfter werden Autos weit unter Neupreis angeboten. Doch oft beruhen die Billig-Angebote auf betrügerischen Machenschaften. Die Trierer Steuerfahndung ist einem solchen Komplott auf die Spur gekommen. Fast acht Jahre dauerten die Ermittlungen laut Finanzamt in einem der größten Betrugskomplotte der vergangenen Jahre. Haftstrafen für die Haupttäter

Das von den vier Haupttätern aufgebaute Firmengeflecht war derart kompliziert, das es selbst für Experten nur schwer war, durchzusteigen. Die nun vom Koblenzer Landgericht zu Haftstrafen von eineinhalb bis drei Jahren verurteilten "Autohändler" kauften zwei Jahre lang über eine luxemburgische Scheinfirma bei deutschen Lieferanten Neuwagen, die angeblich nach Luxemburg oder Belgien exportiert werden sollten. Da bei grenzüberschreitenden Geschäften innerhalb der EU keine Umsatzsteuer anfällt, stellten die gutgläubigen Händler Rechnungen ohne Umsatzsteuer aus. Allerdings gingen die Fahrzeuge niemals über die Grenze, sondern direkt zu deutschen Kunden, die von den betrügerischen Machenschaften nichts wussten oder wissen wollten. Zur Tarnung wurden nämlich noch drei Zwischenfirmen gegründet, die die Autos angeblich kauften und wieder verkauften. Auf diese Weise sollte der wirkliche Verkaufsweg verschleiert werden. Da die Haupttäter für die Autos wegen des vorgetäuschten Exports keine Umsatzsteuer zahlen mussten, von den zwischengeschalteten Firmen jedoch Rechnungen für den angeblichen Kauf der Autos erhielten, auf denen die Umsatzsteuer ausgewiesen war, konnten sie diese beim Finanzamt als Vorsteuer geltend machen. Jahrelang kassierten die betrügerischen Autohändler auf diese Weise Millionen vom Fiskus und verdienten gleichzeitig am Verkauf der Autos, die sie weit unter Marktpreis anbieten konnten. Ein klassisches Steuer-Karussell. Das betrügerische Modell beruht darauf, dass ein Händler auch dann die Vorsteuer vom Finanzamt bekommt, wenn der Verkäufer die Umsatzsteuer gar nicht an das Finanzamt bezahlt hat. Ein Strohmann, der so genannte Missing Trader, gründet eine Scheinfirma, mit Büro, Telefon und einem Bankkonto. Diese Firma ist auch beim Finanzamt gemeldet, zahlt Gewerbesteuer und führt Umsatzsteuer ab - nach außen hin also alles ganz legal. In Wirklichkeit sollen die Strohmänner aber den eigentlichen Warenkreislauf verschleiern. Oft sind es "abgerissene" Typen, gescheiterte Existenzen, die nicht selten direkt aus Kneipen heraus engagiert oder per Kleinanzeigen für den "lukrativen Nebenjob" geworben werden. Zumeist wissen die Strohmänner gar nichts von dem betrügerischen Komplott, sind Beihelfer krimineller Machenschaften, die nach Expertenansicht den Staat im Jahr bis zu 15 Milliarden Euro kosten. Allein in Trier wurde der Fiskus über die Jahre um 13,5 Millionen Euro geprellt. "Nicht nur der Staat, sondern die komplette Autobranche ist dadurch geschädigt worden", sagt Finanzamtssprecherin Julia Köster. Es war nicht einfach für die Steuerfahnder, durch das sorgfältig gesponnene Firmengeflecht durchzusteigen. "Mühsame Puzzlearbeit" sei es gewesen, sagt Köster, jede einzelne Scheinfirma auseinander zu nehmen und nachzuweisen, dass sich dahinter immer die gleichen Täter verbergen. Neben den vier Haupttätern waren noch 20 Strohmänner beteiligt. Auch den Händlern, die Autos von den Steuerbetrügern gekauft haben droht nun Ungemach. Im Zuge der Ermittlungen entschied der Bundesfinanzhof aufgrund des Trierer Falls, dass auch Unternehmer, die auf diese Weise betrügerische Ware einkaufen, im Einzelfall auch Steuern nachzahlen müssen. Hätten sie nämlich kaufmännische Sorgfalt an den Tag gelegt, hätten sie erkennen müssen, so die Richter, dass der Preis der Autos unter legalen Bedingungen nicht zustande kommen konnte.

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