Wenn der Öl- den Gaspreis treibt

Wer einst auf billiges Gas setzte, den kommt die Entscheidung inzwischen teuer zu stehen. Statistiken belegen, dass Erdgas und Strom in Deutschland so viel kosten wie in kaum einem anderen EU-Staat. Erst im Vormonat hatten zahlreiche Versorger wieder eine Preiserhöhung um bis zu 19 Prozent angekündigt.

Berlin. Im Bundesweltministerium wird sogar über einen nochmaligen Kostenschub von 40 Prozent im Herbst orakelt. Auch der vermeintlich Schuldige ist schnell bei der Hand: Experten und Politiker klagen unisono über die Preiskopplung von Öl und Gas. Entfiele sie, dann, so die These, ginge auch der Gaspreis deutlich runter. Leider sind die Dinge etwas komplizierter. Jedenfalls sollten sich die Gaskunden vor rosigen Erwartungen hüten. Ökonomische Vereinbarungen

Derzeit ziehen steigende Ölpreise mit einer Verzögerung von bis zu sechs Monaten wegen der Preiskopplung einen Kostenschub am Gasmarkt nach sich. Dieser Mechanismus wurde im Jahr 1965 eingeführt. Damals galt Gas als neuer Energieträger, für den ein Preis gefunden werden musste. Als Indikator bot sich der Ölpreis an. Öl und Gas sollten sich nicht gegenseitig Konkurrenz machen, die hohen Investitionen sich rentieren. Seither findet sich diese Koppelung in fast allen Verträgen zwischen Produzenten und Energieversorgern wieder. Die Preisbindung beruht also nicht auf politischen Entscheidungen, sondern auf ökonomischen Vereinbarungen zwischen Lieferländern und Abnehmern. Schon deshalb sind der Politik weitgehend die Hände gebunden. Die Bundesregierung hat das bereits vor zwei Jahren eingeräumt. Entkopplung könnte Gaspreis weiter erhöhen

Auf die Frage der energiepolitischen Sprecherin der FDP, Gudrun Kopp, ob Schwarz-Rot die Koppelung kippen könne, erklärte das Wirtschaftsministerium damals: Die Bundesregierung sehe "nach nationalem Recht keine Möglichkeit, auf diese privatrechtlichen Verträge und die darin enthaltene Preisbildungsformel einzuwirken". Fachleute hoffen nun auf die kartellrechtlichen Instrumente der EU. Doch selbst wenn es Brüssel gelänge, die Wirtschaft von der Ölpreisbindung abzubringen, dann wäre damit noch keine nachhaltige Senkung der Gaspreise garantiert. Eher abschreckende Beispiele sind die USA und Großbritannien. Diese Staaten können in hohem Maße auf einheimische Gas-Ressourcen zurückgreifen. Damit erübrigen sich Importverträge mit der üblichen Bindung an den Ölpreis. Stattdessen kommt es zu einer börsennotierten Preisbildung, die jedoch ebenfalls mit einem massiven Preisanstieg verbunden war. Skeptiker befürchten gar, dass eine Entkoppelung den Gaspreis noch höher treiben würde als den für Öl. Russland, Katar und der Iran sind weltweit die drei großen Erdgasproduzenten, die auch leicht den Preis diktieren könnten. Die Gaskunden kämen bei einer Entkopplung der Preise also womöglich vom Regen in die Traufe. Bleibt die Frage, warum der Ölpreis so exorbitant steigt. Auch hier ist der Sündenbock schnell gefunden: Schuld hätten die internationalen Spekulanten, sagen Experten. Wahr ist allerdings auch, dass fossile Energieträger schneller zur Neige gehen, als noch vor kurzer Zeit vermutet wurde. Nach Angaben der Mineralölwirtschaft lässt sich Öl noch etwa 45 Jahre lang zu ökonomisch vertretbaren Bedingungen gewinnen. Bei Gas sind es rund 60 Jahre. Schon durch die absehbare Verknappung dürften die Preise weiter steigen. Eine Antwort darauf heißt Energieeinsparung. Das schafft allerdings nur vorübergehend Luft. Selbst eine Halbierung des Gas-Verbrauchs würde bei einer Verdoppelung des Preises die gleichen Kosten verursachen. Entscheidend bleibt deshalb der Umstieg auf erneuerbare Energieträger - und die vorübergehende Rückbesinnung auf "Auslaufmodelle" wie Atom oder Kohle. Denn nur mit Sonne oder Wasserkraft wird das Defizit zunächst kaum zu beheben sein. So werden die hohen Öl- und Gaspreise auch zu einer Herausforderung für technische Neuentwicklungen im Energie- und Umweltbereich. Insofern hat der Kostendruck auch sein Gutes.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort