"Wieder richtig arbeiten"

Berlin . (has) Bundesregierung und Toll Collect haben sich über die LKW-Maut geeinigt. Jetzt sollen die Etatlöcher von Verkehrsminister Stolpe schnell gestopft werden.

Einen Tag nach der überraschenden Einigung über die Einführung der satellitengestützten LKW-Maut konnte Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) immer noch nicht das tun, was ihm seit längerem am Herzen liegt: "Wieder richtig arbeiten und nicht nur Maut machen müssen." Immerhin verkündete er verheißungsvoll: "Im Jahr 2004 wird alles investiert, was geplant war." Denn inzwischen hat sich der Verkehrsminister mit seinem störrischen Kollegen vom Finanzressort, Hans Eichel (SPD), darauf verständigt, wie die 2,1 Milliarden Euro an Einnahmeausfällen durch die Maut-Pannen in diesem Jahr ausgeglichen werden sollen. Offiziell ist es noch nicht, aber so soll es wohl gehen: Eine Milliarde, womöglich sogar zwei Milliarden Euro will sich Stolpe dadurch holen, dass die Bahn einen langfristigen und zinslosen Kredit des Bundes vorzeitig zurückzahlt. Das soll dem Vernehmen nach mit dem Bahnvorstand abgestimmt sein. Darüber hinaus sollen noch in diesem Jahr Mittel durch erwartete Vertragsstrafen und Schadenersatzsummen aus dem Maut-Schiedsverfahren in den Verkehrsetat fließen. Im Ministerium geht man jedoch davon aus, dass das Schiedsgericht erst "in Monaten" zusammentreten wird. Schnelles Geld ist also nicht zu erwarten. Für den in den letzten Monaten nicht gerade erfolgsverwöhnten Stolpe ist die Einigung mit Eichel ein kleiner Erfolg - auf wichtige Verkehrsprojekte muss er nicht verzichten. Dennoch kann sich der Minister das Ergebnis von Bundesregierung und Toll Collect nicht ans Revers heften: Bei den Gesprächen nahm Stolpe eher eine Nebenrolle ein. Aus Regierungskreisen hieß es, dass Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier diesmal die Fäden im Auftrag seines Chefs Schröder gezogen habe. Der Bundeskanzler selbst habe sich von seiner USA-Reise aus, die er am Samstag beendete, in die Gespräche eingeschaltet. Er sei aber erst am Sonntag nach den Prognosen zur Hamburg-Wahl mit DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp und Telekom-Boss Kai-Uwe Ricke zusammen gekommen, um das Ergebnis zu besiegeln und der Öffentlichkeit (s)einen großen Erfolg zu verkünden. Die Einigung von Bundesregierung und Toll Collect zur zweistfugen Einführung der Maut, die gestern auch von der Opposition begrüßt wurde, sieht vor allem neue Haftungsregeln vor. Der Bund kann ab 2005 im Maximalfall mit einer Summe von 1,8 Milliarden Euro rechnen und ab 2006, dem Datum für den Vollstart des Systems, sogar mit einer "unbegrenzten" Haftung. Viele Beobachter werteten am Sonntagabend vor allem zwei Dinge als Aufbruchssignal: einerseits der Einstieg des Siemens-Konzerns in das Projekt, der nun die Verantwortung für die fehleranfälligen Maut-Erfassungsgeräte übernimmt. Und andererseits, dass die Deutsche Telekom, an der der Bund direkt und indirekt einen Anteil von 43 Prozent hält, anstelle von DaimlerChrysler die Führung bei Toll Collect an sich gezogen hat.

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