"Wir lassen uns nicht länger melken"

KERPEN. Mit einer medienwirksamen Inszenierung haben gestern 30 Landwirte aus dem Raum Hillesheim (Kreis Daun) gegen die Dumpingpreise der Discounter für Milch protestiert: Sie schütteten tausende Liter Milch aus und verfütterten sie an Kälber.

Ein herrlicher Frühlingstag: Es ist trocken, die Sonne wärmt erstmals kräftig und hüllt die graue Eifellandschaft in ein strahlendes Licht. Auch für Bauern ein guter Tag, um die Felder zu bestellen und die erste Saat auszubringen. Arbeit wäre genügend da. Und bleibt doch bei rund 30 Landwirten aus dem Raum Hillesheim (Kreis Daun) an diesem Vormittag liegen. Kaum bemerkt von den Auto- und Brummifahrern, die auf der nahen Zubringerstraße zur A 1 nach Köln vorbei rauschen, formiert sich die Gruppe auf dem Weinberghof der Familie Metzen. Die an den Traktoren angebrachten Transparente und mit Sprüchen bedruckten Schilder ("Wir melken die Kühe - Ihr melkt uns!" oder "Lebensmittel sind mehr wert!"), die sich einige Bauern umgehängt haben, lassen erahnen: Hier ist eine Demo im Gange. Wie sich später herausstellt, eine in der Region bislang einmalige Protestaktion, wie sie sonst nur aus dem Fernsehen bekannt war - von französischen Bauern. Hofherr Helmut Metzen, der eine Frau und drei Kinder zu ernähren hat, hatte den Protest organisiert. Kurzfristig. Die letzten Kollegen hatte er erst am Sonntagabend angerufen. Und nach einigem Murren - wie gesagt, es gibt viel zu tun - haben dann auch die meisten zugesagt. Metzen argumentiert: "Jetzt, nach den bundesweiten Protesten und dem Aufmarsch vor der Aldi-Zentrale, ist das Thema Milchpreisverfall in den Medien drin. Da habe ich mir gedacht: Da müssen wir nachhaken und auch vor Ort was organisieren." Schließlich könnten die Landwirte ihre Milch nicht weiter zu Dumpingpreisen abgeben, da diese ihre Existenz in Frage stellten. Seine Kollegen, die um ihn herum eine Traube gebildet haben, quittieren die Aussagen mit bedächtigem Nicken. Der ein oder andere mischt sich ein: Landwirt Michael Hardt aus Berndorf nennt Zahlen: "Wir bekommen nur noch 27 oder 28 Cent pro Liter Milch, haben aber Kosten von durchschnittlich 30 Cent." Und die Arbeit sei da, "da die Kühe trotzdem gefüttert und gemolken werden müssen". "Das kann doch wohl nicht sein", schimpft Vollerwerbslandwirt Alois Mauren aus Oberehe, "die Qualitätsstandards gehen immer weiter rauf, und die Preise rutschen in den Keller." Zustimmung ringsherum - und erste Unruhe: Zu Hause wartet Arbeit. Kollege Andreas Schreiber aus Bolsdorf bringt den "schriftlichen Aufwand" ins Spiel. Er sagt: "Es muss immer mehr dokumentiert werden, was Zeit und Geld kostet: Höhere Einnahmen aber haben wir dadurch nicht. Im Gegenteil." Landwirt Guido Reuter aus Hillesheim wiederum ist sich sicher, "dass die Verbraucher bereit wären, zwei, drei oder vier Cent mehr pro Liter Milch zu zahlen". Doch bis dahin sei es noch ein weiter Weg, meint auch Leo Blum, Präsident des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau. Zwar hätten die meisten Einzelhändler und Lebensmittelketten bereits ein "Einlenken signalisiert, doch Lidl ist weiterhin sehr aggressiv und drückt den Preis", sagt Blum. Daher würden in den nächsten Tagen und Wochen weitere Aktionen veranstaltet, "um auch diesen Discounter zur Räson zu bringen", kündigt Blum an. Seiner Ankündigung nach spektakulären Aktionen an diesem Vormittag - durch die sich sogar Radio- und Fernsehteams in die Eifel locken ließen - folgen auch Taten. Initiator Metzen verkündet das Motto: "Bevor wir unsere Milch verschenken, geben wir sie den Kälbern oder schütten sie aus." Gesagt, getan. Mehrere, tausende Liter fassende Tanks werden per Schlepper auf eine Wiese gezogen, wo die Milch ausgeschüttet wird. Der Anblick missfällt zwar einigen, wie Landwirt Michael Hardt aus Berndorf: "Das tut einem im Herzen weh." Doch Kollege Volker Rätz aus Gerolstein-Gees bringt die vorherrschende Stimmung unter den mittlerweile ungeduldigen Bauern auf den Punkt: "Was sein muss, muss sein." Doch kurz darauf sind sie alle von dannen gezogen. Zu ihrer Arbeit.

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