Wirte stellen sich dumm

TRIER. Seit der Änderung des Gaststättengesetzes im Januar 2002 muss das billigste Getränk auf der Karte alkoholfrei sein. Überprüfungen zeigen, dass über 50 Prozent der kontrollierten Kneipen das so genannte Apfelsaftgesetz nicht einhalten.

Alkohol ist in Deutschland immer noch Alltagsdroge Nummer eins. 1,6 Millionen Menschen gelten als alkoholkrank. 37 Prozent der Jugendlichen im Alter von 16 Jahren trinken regelmäßig Alkohol. Mit dem neuen Gaststättengesetz wollte die Bundesregierung Anfang 2002 einen wirtschaftlichen Anreiz zur Einschränkung des Alkoholkonsums geben. Doch verschiedene Überprüfungen zeigen, dass sich viele Wirte nicht an das so genannte "Apfelsaft-Gesetz" halten. Eine Untersuchung der Drogenbeauftragten in Berlin etwa belegte bereits 2002, dass von 221 getesteten Kneipen 131 Bier oder Alsterwasser als günstigstes Getränk angeboten haben. Der Landesjugendring, der kürzlich Gaststätten im Saarland testete, kam zu ähnlichen Ergebnissen. Mehr als 50 Prozent der untersuchten Kneipen, unter anderem in Saarbrücken, St.Wendel oder Saarlouis, hielten sich nicht an das Gesetz. Auch in Trier und Umgebung gibt es Wirte, die das Gesetz nicht kennen. Eine Stichprobe in der Region zeigt: Eine Bitburger Kneipe bietet zum Beispiel als billigstes Getränk Shooter für einen Euro an. Der Mix aus verschiedenen Schnäpsen im gefrorenen Zustand ist zehn Cent billiger als die einzigen alkoholfreien Getränke Wasser, Fanta und Cola. Der Besitzer, der seinen Namen nicht nennen mag, sagt: "Ich habe von einem Apfelsaft-Gesetz noch nie was gehört. Solange mich keiner aufklärt, werde ich das auch nicht ändern." Auch verschiedene Kneipen in Wittlich und Trier halten sich nicht an das Gesetz. Der Besitzer einer Trierer Cocktailbar zum Beispiel bietet als preiswertestes Getränk Bier an. Er sagt, er sei noch nicht über das Gesetz informiert worden. Es dürfe aber kein Problem sein, ein alkoholfreies Getränk billiger anzubieten. Das städtische Ordnungsamt Trier ist dort für die Einhaltung des Gaststättengesetzes zuständig. Auf TV -Anfrage sagte eine Mitarbeiterin, sie könne zur Regelmäßigkeit der Überprüfungen nichts sagen. Andersherum funktioniert der Informationsfluss offensichtlich besser. In der Mehrzahl der getesteten Kneipen hatten sich die Wirte darüber informiert, wie die Vorschrift am besten ausgelegt werden könnte. Denn wenn das Gesetz eingehalten wurde, ist die preisgünstige Alternative zu Bier in den meisten Fällen Malzbier, Milch oder Tee. Für junge Kneipengäste nicht gerade attraktiv. Ein Trierer Student sagt: "Cola wäre eine annehmbare Alternative zu Bier. Aber wer setzt sich Abends mit einem Glas Milch in die Kneipe, um 30 Cent zu sparen?" Man kann also davon ausgehen, dass das Vorhaben, Jugendliche und Erwachsene mit dem neuen Gesetz in ihrem Trinkverhalten einzuschränken, weitgehend gescheitert ist. Entweder kennen die Wirte das Gesetz nicht, oder sie boykottieren es mit Alternativgetränken, die von kaum einem Jugendlichen in Anspruch genommen werden. Die Bundesregierung hat angekündigt, daraus Konsequenzen zu ziehen: Sie will mit verstärkten Kontrollen und PR-Aktionen die Gastwirte zu einer sinnvollen Umsetzung des Gesetzes bewegen.

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