Wirtschaft fordert größere Verbandsgemeinden

TRIER. Die Bundesregierung hat 2004 zum "Jahr der Innovation" ausgerufen: Die Wirtschaft hält dies in weiten Teilen für Etikettenschwindel. "Wir versinken in Paragrafen und Vorschriften", klagen die Wirtschaftsverbände.

Der Frust ist groß: "Wegen der Bürokratie fühlen sich viele Mittelständler durch den Staat regelrecht gegängelt. Sie bindet Arbeitskraft, die die Unternehmen lieber in andere Tätigkeiten investieren würden, und sie verzögert zum Beispiel Unternehmensgründungen, bei denen nicht selten Wartezeiten von einem halben Jahr oder länger auftreten", sagt der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Trier (IHK), Arne Rössel. Gemeinsam mit der Handwerkskammer Trier (HWK) hat die IHK dem Paragrafendschungel den Kampf angesagt.Gute Beispiele aus der Region

"Bürokratische Hemmnisse verursachen der deutschen Wirtschaft Kosten in Höhe von mehr als 46 Milliarden Euro pro Jahr. Damit müssen die Unternehmen mehr für Bürokratie aufwenden als für Forschung und Entwicklung (im Jahr 2002: etwa 37 Milliarden Euro)", schreibt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in seinem Positionspapier. Doch die Wirtschaft kritisiert nicht nur die Kommunen, sondern sucht auch nach guten Beispielen, die Deutschland voranbringen kann. Josef Adams, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Trier: "Das Institut für Mittelstandsökonomie untersucht derzeit im Auftrag der rheinland-pfälzischen Handwerkskammer und des Wirtschaftsministeriums die Zusammenarbeit von Verwaltungen und Handwerk. Dort sollen Good-Practice-Beispiele guter Zusammenarbeit gesammelt und ausgewertet werden." Auch die IHKs setzen vorerst auf den Vorbildcharakter. "Die Leistungen der Behörden sollten - ähnlich wie beim Pisa-Test - hinsichtlich Service- und Kundenorientierung transparenter werden", sagt Arne Rössel. Eine "Liga-Tabelle" der Verwaltungen mit den schnellsten Unternehmensgründungen fordert der DIHK. Die Verbände haben einen ganzen Katalog an Verbesserungsvorschlägen vorgelegt; hier einige Beispiele, die DIHK oder HWK aufführen: Im Saarland schon Realität: Mit einer zeitlichen Befristung von Vorschriften wird die Beweislast von Bürgern und Unternehmen gegenüber dem Staat umgekehrt. Der Gesetzgeber muss dann nach einer gewissen Zeit belegen, das eine Regelung nach wie vor sinnvoll ist. Eine solche zeitliche Befristung würde beispielsweise verhindern, dass immer noch eine Sektsteuer entrichtet wird, die 1902 zur Finanzierung der kaiserlichen Marine eingeführt wurde. Prüfung aller Gesetze und Vorschriften durch einen "Bürokratie-Tüv". Neue Verordnungen dürfen nur erlassen werden, wenn im Gegenzug eine bestehende Regelung aufgehoben wird. Festlegung von Höchstzeiten für die Genehmigung von Anträgen - bei Überschreitung durch Kommunen automatische Genehmigung. Dass es bei den deutschen Kommunen keinesfalls so verschlafen zugeht, wie viele glauben, zeigen einige Best-Practice-Beispiele". Dabei gibt es auch schon einige Kommunen, die beispielhaft vorausgehen. So lobt das Institut für Mittelstandsökonomie (Inmit) die Verbandsgemeinde Obere Kyll für ihre "Antragskonferenz". Dort werden bei bei Investitionsvorhaben sämtliche genehmigungspflichtigen Behörden an einen Tisch geholt, die Stadt Mayen hat eine "Zentrale Anlaufstelle für Existenzgründer" und die Stadt Bitburg wird vom Inmit für ihre Umstellung von der Kameralistik zum "produktbezogenen Haushalt" herausgestellt. Dennoch setzt die Bürokratie-Kritik der Wirtschaft auch ganz deutlich bei den Kommunen an. IHK-Hauptgeschäftsführer Arne Rössel: "Je mehr Verwaltungsebenen es gibt, desto mehr Tätigkeiten werden mehrfach ausgeführt, was zu einer Erhöhung der Kosten führt." Hier fordert die IHK zunächst eine verstärkte Arbeitsteilung, um dadurch erhebliche Einsparungen zu realisieren." Andererseits sei zu prüfen, ob nicht der Zuschnitt von Verbandsgemeinden oder Landkreisen vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung verändert werden müsse. Ins gleiche Horn bläst Josef Adams: "In NRW gibt es Landkreise mit der Größe des ehemaligen Regierungsbezirks Trier. Nur wir leisten uns noch den Luxus der kleinen Einheiten." Die Handwerkskammern in Rheinland-Pfalz kritisieren in einem gemeinsamen Positionspapier, dass zahlreiche Verbandsgemeinden zu klein seien: 38 Verbandsgemeinden und acht verbandsfreie Gemeinden hätten nicht einmal 10 000 Einwohner. Mit größeren Einheiten könne man effizienter wirtschaften. "Das eingesparte Geld könnte an anderen Stellen sinnvoller eingesetzt werden", sagt Josef Adams.

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