Wissenstransfer für Tischler in Afrika: Verein "Handwerk hilft" setzt sich für Kollegen und Azubis aus Ruanda ein

Trier · Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Lage in vielen Dritte-Welt-Ländern der Erde will die Bundesregierung die Ursachen an den Wurzeln packen und vor Ort Hilfe zur Selbsthilfe geben. Der Verein "Handwerk hilft" im Kreis Trier-Saarburg macht vor, wie es geht und pflegt mit einem Berufsbildungswerk in Ruanda einen fruchtbaren Austausch zwischen Schreinern.

 Schreiner und Zimmerer Florian Monzel zeigt den beiden Berufsschullehrern Jordin und Jean-Damascène aus Ruanda, wie die Hobelmaschine im Schreinerbetrieb Holzlust in Schweich-Issel funktioniert. TV-Foto: Sabine Schwadorf

Schreiner und Zimmerer Florian Monzel zeigt den beiden Berufsschullehrern Jordin und Jean-Damascène aus Ruanda, wie die Hobelmaschine im Schreinerbetrieb Holzlust in Schweich-Issel funktioniert. TV-Foto: Sabine Schwadorf

Foto: (g_wirt )

Als Jordin und Jean-Damascène vor wenigen Tagen vom Frankfurter Flughafen Richtung Mosel gebracht werden, ist dies wie ein kleiner Schock für sie: "Alle Bäume wirken wie tot, die Sonne geht niemals unter",wundern sich die beiden Ruander. Schließlich kennen sie in ihrer afrikanischen Heimat weder Jahreszeiten wie den Frühling noch Sommer- und Winterzeit. Ähnlich erstaunt sind sie, als sie ihre erste deutsche Schreinerei betreten. "Alles ist sehr auf Sicherheit bedacht. Mundschutz, Stahlkappenschuhe, Maschinenverdecke: Das kennen wir alles nicht. Und deshalb gibt es bei uns sehr viele Unfälle", sagt Jordin beeindruckt.Besuch bei Kollegen und Kammer


Der 39-jährige Berufsschullehrer und Schreiner ist nicht nur glücklich, seine Branche neu entdecken und hiesige Standards erlernen zu können, sondern er ist auch dankbar für vieles, was er hier ausprobieren kann - und für die Gastfreundschaft seiner Kollegen. Die afrikanischen Gäste aus Ruanda sind Teil einer Initiative der Schreinerinnung Trier-Saarburg, die mit ihrem Verein "Handwerk hilft" den Austausch der eigenen Azubis und denen in der Partnereinrichtung in Ruandas Hauptstadt Kigali fördern möchte (siehe Extra). Dazu besuchen Jordin und Jean-Damascène mehrere Innungsbetriebe, die Berufsausbildungsstätte Helenenberg, eine Fortbildung bei der Handwerkskammer (HWK) Trier sowie den Holz- und Maschinenhandel.

"Unsere anfängliche Befürchtung, dass es zu Schwierigkeiten in der Kommunikation kommt, waren schnell verflogen", sagt Vereinsvorstand Norbert Kömen und zeigt sich begeistert vom Engagement der beiden Schreinerlehrer. Sie seien wissbegierig, technikbegeistert und fasziniert von den computergesteuerten Anlagen. "Gerade die Maschinen faszinieren mich", staunt Jean-Damascène. "Was man damit alles machen kann." Und so entdecken sie handwerkliches Neuland, sammeln Fotos und schicken sie abends per E-Mail in die Heimat.

"Über das gemeinsame Arbeiten kommt man einander unheimlich nahe - trotz der verschiedenen Kulturen", ist der Ralinger Schreinermeister Alfred Wirtz begeistert. Und sein Kollege, Schreinermeister Johannes Kreten vom Betrieb Holzlust in Schweich-Issel, ergänzt: "Es geht zwar um den sozialen Aspekt, aber auch um einen Auslandsaustausch für unsere Lehrlinge." Und so war sein Azubi Jan Sonntag mit fünf weiteren aus dem ersten und zweiten Lehrjahr mehrerer Innungsbetriebe beim Azubi-Austausch im vergangenen Jahr in Ruanda mit dabei. "Das Beeindruckendste daran war die Art und Lebenseinstellung der Menschen dort", sagt der 18-jährige Azubi. Die Deutschen seien gleich integriert worden, hätten mit Fußball gespielt. Und als es um den Auftrag ging, gemeinsam 50 Stühle aus eigener Entwicklung herzustellen, habe man intensiv zusammengearbeitet - sowohl als Ko-Lehrer als auch als Lehrlingspartner. "In Ruanda wird mehr abgeschaut, was jemand wie macht, bei uns gibt es Erklärungen, Vorgaben, Maße", erklärt er den Unterschied.Bewunderung für Methodik


Dies erleben auch Jordin und Jean-Damascène. Und so schiebt Jordin vorsichtig ein Kantholz durch die Hobelmaschine von Johannes Kreten, prüft die Glätte einzelner Hölzer. "Wir kennen höchstens vier bis fünf verschiedene Holzarten in Ruanda, in unserer Lehrwerkstatt verarbeiten wir davon nur eines. Unsere Lehrlinge lernen also viel zu wenig über die Materialien kennen, die sie verarbeiten könnten", sagt Jordin und weiß nun, dass man Holz besser mehrere Jahre trocknen muss, um es besser verarbeiten zu können.

Was er am Lernen in Deutschland bewundert, ist die Methode und Disziplin der Schüler. 6000 Kilometer entfernt, betreuen die beiden rund ein Dutzend Schreinerlehrlinge, auch ein Mädchen gehört dazu. "Schon im letzten Jahr hatten wir eine Schreinergesellin. Die arbeitet nun erfolgreich in einem Unternehmen", sagt Jean-Damascène stolz. Und auch die anderen seien nach ihrer Ausbildung angestellt oder selbst Betriebsinhaber.Neue Herangehensweisen


Etwas, das die Schreinereibetriebe von "Handwerk hilft" zufrieden macht. "Den beiden Ruandern etwas vermitteln und ihnen im Alltag weiter helfen zu können, freut mich", sagt Schreinermeister Wirtz: "Ich habe aber auch etwas gelernt: nämlich, dass es nicht nur die eine Möglichkeit gibt, eine Sache anzugehen. Es gibt auch eine andere Herangehensweise, die manchmal sogar besser und logischer ist."

Auch Azubi Jan Sonntag hat etwas für seinen Werdegang gelernt: "Auf jeden Fall ist der Austausch eine Erfahrung fürs Leben, die ich nur jedem empfehlen kann. Denn der Blick auf das, was für uns selbstverständlich ist, ändert sich."

Zum Abschluss ihres Deutschland-Aufenthalts veranstaltet der Verein "Handwerk hilft" am Freitag, 24. April, 18 Uhr, in der Alten Schule in Kanzem ein Fest. Jordin und Jean-Damascène werden sich mit traditionellen afrikanischen Tänzen von ihren Gastgebern verabschieden und laden Interessierte zum Dialog ein.Extra


Extra
Der Verein "Handwerk hilft" wurde 2013 gegründet und ist aus einer Initiative der Schreinerinnung Trier-Saarburg entstanden. Ziel ist es nicht nur, den heimischen Nachwuchs zu fördern und ihm Auslandskontakte zu ermöglichen, sondern auch soziale Projekte ins Leben zu rufen. Schulische und berufliche Ausbildung stehen dabei im Vordergrund. Unterstützt wird der Verein auch vom rheinland-pfälzischen Innenministerium. So hat sich der Verein mit dem Kooperationspartner "Don Boso Mondo" mit Sitz in Bonn für die Verbesserung der Situation der Lehrlinge in Ruanda eingesetzt. In der Ausbildungsstätte "Centre des Jeunes" in Gatenga, einem Stadtteil der Hauptstadt Kigali, werden die Lehrergehälter sowie einzelne Ausbildungs- und Internatsplätze mitfinanziert. Aber auch der Maschinenpark soll modernisiert und der interkulturelle Austausch im Berufsbildungszentrum gefördert werden. Im "Centre des Jeunes" werden insgesamt 270 Jugendliche betreut und in drei Jahren zu Schreinern, Metallbauern, Klempnern, Konstrukteuren oder Köchen ausgebildet. Es gibt 40 Internatsplätze. In Ruanda, dem Partnerland von Rheinland-Pfalz, sind nach dem Genozid 1994, als die Hutu-Mehrheit etwa 75 Prozent der Tutsi-Minderheit tötete, ein Drittel der Kinder und Jugendlichen Halb- oder Vollwaisen. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 58 Jahren.sas

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort