Wolken über Luxemburg

LUXEMBURG. Die Entwicklung der luxemburgischen Wirtschaft wird trotz aufheiterndem Konjunkturhimmel unter dem europäischen Durchschnitt liegen. Das sagte Zentralbank-Chef Yves Mersch bei der Vorstellung des Jahresberichts.

"Das schwache Wachstum zusammen mit einer kaum reagierenden Wirtschaft stellten eine Gefahr für den Ruf unseres Landes dar", so der Zentralbank-Chef. Das Institut beäugt die abnehmende Wettbewerbsfähigkeit Luxemburgs sehr kritisch: "Heute liegt das Wachstum in Luxemburg unter dem europäischen Durchschnitt und die Inflation über diesem, was unter anderem auf die Entwicklung der staatlichen Gebühren zurückzuführen ist", so die Zentralbank. Wenig Erfeuliches berichtet die Zentralbank über den Arbeitsmarkt. "Der Zuwachs der Lohnstückkosten zeigt, dass wir über unseren Möglichkeiten leben und mehr Reichtum verteilen als schaffen." Auch bei den Arbeitslosenstatistiken sei Luxemburg nicht mehr das glückliche, europäische Schlusslicht, das es einmal war. Die Lage des öffentlichen Haushalts, der 2003 zum ersten Mal seit 20 Jahren defizitär war, wird sich im laufenden Jahr weiter verschlechtern. Laut EU-Kommission wird Luxemburg 2004 das EU-Land sein, in dem sich die Haushaltsbilanz am negativsten entwickelt. 2005 könnte das Defizit sogar an die von der EU erlaubten drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts grenzen. Die seit 2001 sichtbar werdende Lücke im Haushalt führt die Zentralbank auf die letzte Steuerreform zurück. Sie wurde nicht von einer Abnahme der Ausgaben begleitet. Im Gegenteil, "die öffentlichen Ausgaben stiegen weiter stark an." Die finanzielle Solidität der öffentlichen Finanzen stellt die Zentralbank nicht in Frage. Die öffentliche Verschuldung sei gering und die Staatsreserven gut. "Allerdings wäre es sehr riskant, Reserven aufzulösen und mit einem Zurück in die Jahre starken wirtschaftlichen Wachstums zu rechnen", mahnt Yves Mersch an. Der Staat erkläre auch nicht, wie er bis 2006 seine Ausgaben begrenzen wolle. Im Rahmen des EU-Stabilitätsprogramms habe die Regierung Brüssel zugesagt, den Anstieg der öffentlichen Ausgaben von zehn auf 4,6 Prozent zu senken. Allerdings sage das Programm nicht aus, welche Maßnahmen es umsetzen wolle. Verschiedene Ausgaben wie Sozialleistungen und Personalkosten seien in den vergangenen zehn Jahren sehr stark angestiegen. "In diesem Zusammenhang sind strukturelle Reformen - vor allem im Sozialbereich - nötig. Ich bin der Überzeugung, dass die luxemburgische Wirtschaft alle Voraussetzungen erfüllt, um weiter dynamisch zu wachsen. Wir müssen die Kräfte, die den Reichtum schaffen können, entfesseln. Der historische Tiefstand der Zinsen bietet hervorragende Bedingungen", sagt Yves Mersch. Jean-Claude Weishaar ist Redakteur beim Luxemburger Tageblatt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort