Ex-Geschäftsmann aus Trier geht gegen Hausdurchsuchung wegen Steuerbetrugs vor

Trier · Frauenrechtlerin Alice Schwarzer, Bayern-Präsident Uli Hoeneß oder der Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz beherrschen mit ihren Steuerbetrügereien die Schlagzeilen. Die drei würden gerne auf diese Aufmerksamkeit verzichten. Der Trierer Geschäftsmann Lutz Scheider ist mit seinem Fall bewusst an die Öffentlichkeit gegangen.

 Archivbild: Lutz Scheider (links) und sein Rechtsanwalt Gilbert Haufs-Brusberg. TV-Foto: Heribert Waschbüsch

Archivbild: Lutz Scheider (links) und sein Rechtsanwalt Gilbert Haufs-Brusberg. TV-Foto: Heribert Waschbüsch

Den Morgen im vergangenen Frühjahr wird der Trierer Geschäftsmann Lutz Scheider sein Leben lang nicht vergessen. "Ich wollte mich gerade für einen Waldlauf fertig machen, als es an meiner Tür klingelte", erzählt Scheider dem Volksfreund.

Der frühe Besuch kam vom Finanzamt. Sechs Fahnder standen vor der Haustür. "Ich habe die Herren dann reingelassen, und sie haben mir den Durchsuchungsbescheid gezeigt", erinnert sich der ehemalige Unternehmer. "Ich war geschockt und erschrocken. Ich habe mich im Bademantel einfach hingesetzt und dem Treiben zugeschaut", erzählt Scheider.

Der Grund für den Besuch der Finanzbehörde geht auf den 14. April 2012 zurück. Damals kaufte das rheinland-pfälzische Finanzministerium eine Daten-CD auf. 4,41 Millionen Euro zahlte das Land einem Anbieter. Die rund 40 000 Datensätze auf der Silberscheibe sollen dem Land ein Steuerplus von rund 500 Millionen Euro einbringen, hofft Finanzminister Carsten Kühl. Unter den aufgeführten Kontoinhabern ist auch der Name von Lutz Scheider. 700 000 Euro hat der Trierer bei der Credit Suisse seit Jahren deponiert. Die Kapitalerträge hat er dem deutschen Fiskus vorenthalten.

Die Fahnder durchkämmen die gesamte Villa: Gästezimmer, Bad, Weinkeller - sie schauen in jeden Aktenordner, kontrollieren die Daten von Computer und Handy und drehen sogar jeden Blumentopf um.Höflich und freundlich


"Je länger das Ganze ging, um so ruhiger wurde ich", sagt Scheider. "Schließlich habe ich den Beamten gesagt: ,Hier gibt es nichts zu finden.' Und so war es denn auch."
Die Beamten des Finanzamtes seien freundlich und höflich gewesen. "Ich musste, nachdem sie weg waren, nicht einmal aufräumen", sagt er.

Und dennoch war das Ereignis für ihn verletzend und irritierend gewesen. Sein Entschluss stand gleich danach fest. "Ich werde gegen diese Hausdurchsuchung vorgehen", so Scheider. Mit seinem Anwalt, Gilbert Haufs-Brusberg, bereitete er eine Klage gegen das Land Rheinland-Pfalz vor dem Landesverfassungsgerichtshof vor. Gilbert Haufs-Brusberg ist sich sicher, dass hier gegen die im Gesetz zugesicherte Unverletzlichkeit der Wohnung verstoßen wurde. Der Ankauf einer solchen Steuer-CD sei nichts anderes als Wirtschaftsspionage, und die deutschen Behörden seien dabei Mittäter. "Sind das nicht Brandstifter und Hehler? Das ist aus meiner Sicht kriminell."

Seiner Ansicht nach ist eine Hausdurchsuchung aufgrund gestohlener Bankdaten verfassungswidrig, es fehlten zusätzliche Beweise, die eine solche Aktion stützten.Verfahren läuft noch


Inzwischen läuft ein Verfahren vor dem Landesverfassungsgericht in Koblenz. Am ersten Verhandlungstag hat Haufs-Brusberg seine Auffassung in der mündlichen Verhandlung vorgetragen: 26 Seiten, die beweisen sollen, dass die Hausdurchsuchung verfassungswidrig war. "Es ist schon ein Erfolg, dass es zur mündlichen Verhandlung gekommen ist. Wie das Gericht letztendlich entscheidet, lässt sich derzeit in keiner Weise absehen", sagt der Trierer Rechtsanwalt.

Für Lutz Scheider war die Verfassungsklage konsequent. "Ich weiß, dass viele mein Vorgehen vielleicht nicht nachvollziehen können. Dennoch ist es nach meinem Rechtsempfinden einfach wichtig, diesen Weg zu gehen", sagt Scheider dem TV.

Was ihn und seinen Anwalt erstaunt, ist, dass er viele Briefe und Mails von Menschen bekommen hat, die ihn für seinen Mut loben. "Ich kämpfe mit offenem Visier", meint der Geschäftsmann.
Als modernen Robin Hood, der für die Rechte anderer kämpft, möchte er sich aber nicht verstanden sehen. "Es geht mir nicht darum, hier einen Kampf für andere zu führen, sondern es geht mir um mein persönliches Recht und Empfinden." Und auch sein Rechtsanwalt schätzt die Auswirkung eines möglichen Siegs vor Gericht zunächst als begrenzt ein. "Frühere Fälle würden in keinem Fall anders entschieden, und auch aktuelle Fälle müssten wohl selbst vor Gericht ziehen, um gegen ihre Hausdurchsuchung vorzugehen."

Was aber gewinnt Scheider, wenn ihm das Gericht recht gibt? Laut Haufs-Brusberg wären damit die Daten aus der CD und aus der Hausdurchsuchung keine belastbaren Beweise mehr.
Das eingeleitete Verfahren wegen Steuerbetrugs gegen Lutz Scheider ruht derzeit übrigens. Und der Trierer Geschäftsmann macht sich nicht allzu viele Sorgen. "Es geht ja um die Kapitalerträge, die mit den 700 000 Euro erzielt würden. Bei den Bankgebühren in der Schweiz ist dabei nicht viel rausgekommen", meint Scheider. Angeblich geht es um Kapitalerträge in Höhe von insgesamt 60 000 Euro, verteilt auf mehrere Jahre. Das Konto in der Schweiz habe er angelegt, weil er früher oft in dem Alpenstaat Urlaub gemacht habe. "Ich werde auf jeden Fall auch die Steuern nachzahlen - auch wenn ich meinen Fall gewinne", erklärt er.

Beim Finanzamt in Trier erwartet man mit nicht weniger Spannung die Entscheidung des Verfassungsgerichthofs. Das Verfassungsgericht wird am 24. Februar ein Urteil verkünden.
Die Hausdurchsuchung bei dem Trierer Geschäftsmann wurde durch die Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsangelegenheiten in Koblenz beantragt und vom Amtsgericht Koblenz genehmigt. "Wir finden bei solchen Hausdurchsuchungen immer wieder viele Beweise, die weit über die Informationen von den CDs hinausgehen und die uns weitere Ermittlungen eröffnen", erklärt der Chef des Finanzamts Trier, Jürgen Kentenich. Auch deshalb hofft er, dass das Gericht die jetzige Praxis bestätigt.Extra

Für Nicht-Juristen ist die Rechtskonstruktion, die hinter einer strafbefreienden Selbstanzeige steht, schwer zu verstehen. Daraus entstehen viele Irrtümer. Wichtig ist: Die Selbstanzeige befreit nicht von der Straftat, sondern nur von der Strafe. Im Prinzip ist eine vorliegende und eingeräumte Straftat sogar die Voraussetzung für die Strafbefreiung. Der Täter gibt sein Fehlverhalten zu, der schuldhafte Verstoß gegen das Steuerrecht liegt also allemal vor. Die Gesellschaft und der Staat verzichten auf die Exekutierung der eigentlich angemessenen Strafe - einerseits in Anerkennung des vollständigen Bekenntnisses, anderseits aus der praktischen Erwägung heraus, dass sich ein Großteil entsprechender Straftaten sonst nie nachweisen ließe. Eine moralische Rehabilitation des Täters wie etwa nach einem Freispruch oder einer Einstellung des Verfahrens ist damit aber nicht verbunden. Ein Steuerhinterzieher bleibt ein Steuerhinterzieher, auch wenn er dafür nicht bestraft wird. Das ist wiederum nicht unerheblich für die Frage, ob eine Veröffentlichung bei Personen der Zeitgeschichte erlaubt oder gar geboten ist. DiLExtra

Nur eine Handvoll Steuerbetrüger ist dem Finanzamt Trier durch die aufgekauften Steuer-CD angezeigt worden. Die weitaus größere Zahl an Steuerhinterziehern hat sich selbst angezeigt: Seit 2010 insgesamt 573, allein in den ersten sechs Wochen dieses Jahres sind es 107. Die meisten Betrüger (336) haben ihr Geld in Luxemburg heimlich angelegt, 234 waren bei Schweizer Banken Kunden. Der Trierer Finanzamtschef sieht das Verhalten der ausländischen Banken kritisch: "Wir kämpfen nicht nur gegen den Steuerhinterzieher als Straftäter. Auf der Gegenseite gibt es ja oftmals Geldinstitute, Banken und Fonds, die das Handwerkszeug für die Straftäter zur Verfügung stellen", sagt Kentenich. Die ausländischen Banken versuchen sich dabei durchweg vor größeren Verfahren freizukaufen. Im April 2011 hat die Bank Julius Bär sich auf eine Zahlung in Höhe von 50 Millionen Euro an deutsche Behörden eingelassen, um weitere Ermittlungen gegen die Bank und deren Mitarbeiter abzuwenden, im Dezember 2012 hat die Bank Credit Suisse eine Zahlung in Höhe von 149 Millionen Euro an das Land Nordrhein-Westfalen geleistet. hwMehr zum Thema

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